Grabkammer
Regal und setzte sie auf einer anderen Kiste ab, die in der Nähe stand. »Ist ein bisschen wie Weihnachten, finden Sie nicht? Wir packen hier etwas aus, was seit einem Vierteljahrhundert kein Mensch mehr zu Gesicht bekommen hat. Ah, was haben wir denn hier?«
Er griff hinein und holte einen Behälter mit Knochen hervor.
Die meisten waren nur Bruchstücke, aber sie erkannte ein paar kompakte Klumpen, die sich gut erhalten hatten, während andere Teile des Skeletts im Lauf der Jahrhunderte spröde und brüchig geworden waren. Sie nahm eines der Klümpchen in die Hand und spürte einen eisigen Hauch im Nacken.
»Handwurzelknochen«, sagte sie. Von einem Menschen. »Meine Vermutung ist, dass sie alle von einem einzigen Individuum stammen. Ja, da werden Erinnerungen wach. Die Hitze und der Staub. Das erregende Gefühl, unmittelbar am Puls der Geschichte zu sein, die Vorstellung, dass man mit seiner Kelle jeden Moment auf einen einmaligen Schatz stoßen könnte. Das war, bevor diese alten Gelenke den Dienst quittierten. Plötzlich war ich alt – das hatte ich mir irgendwie nie vorstellen können.
Ich hielt mich selbst immer für unsterblich.« Er lachte traurig, als könnte er nicht begreifen, dass die Jahrzehnte so schnell verflogen waren und ihn zurückgelassen hatten, gefangen in diesem kaputten Körper. Er sah auf den Behälter mit den Knochen und sagte: »Dieser Unglückliche war zweifellos auch von seiner eigenen Unsterblichkeit überzeugt. Bis er dann mit ansehen musste, wie seine Kameraden vor Durst den Verstand verloren. Bis seine ganze Armee um ihn herum im Sand versank.
Sicherlich konnte er sich nicht vorstellen, dass dies das Ende sein würde. So ergeht es den stolzesten Imperien: Wenn die Zeit ihr Werk getan hat, bleibt nur noch ein Häufchen Staub übrig.«
Behutsam legte Josephine den Handwurzelknochen in den Behälter zurück. Er war nichts weiter als eine Ansammlung von Mineralien, Kalzium-und Phosphorverbindungen. Knochen erfüllten ihren Zweck, und wenn ihr Besitzer starb, blieben sie zurück, ähnlich wie ein Krückstock, den jemand in der Ecke stehen lässt, weil er ihn nicht mehr braucht. Diese Bruchstücke waren alles, was von einem persischen Soldaten übrig geblieben war, dessen Schicksal es war, in einer Wüste fern der Heimat zugrunde zu gehen.
»Er gehörte zu der verlorenen Armee«, sagte sie. »Dessen bin ich mir so gut wie sicher. Einer der todgeweihten Soldaten des Kambyses.«
Sie sah ihn an. »Sie waren mit Kimball Rose dort.«
»Oh, es war seine Ausgrabung, und er hat eine hübsche Summe hineingesteckt. Sie hätten das Team sehen sollen, das er zusammengestellt hat. Hunderte von Grabungshelfern. Wir waren dort, um einen Heiligen Gral der Archäologie zu suchen, so sagenumwoben und schwer zu finden wie die Bundeslade oder das Alexandergrab. Fünfzigtausend persische Soldaten waren in dieser Wüste einfach spurlos verschwunden, und ich wollte dabei sein, wenn sie endlich freigelegt wurden.«
»Aber Sie haben sie nicht gefunden.«
Simon schüttelte den Kopf. »Wir haben zwei Saisons lang gegraben und nichts zutage gefördert außer ein paar Metall-und Knochenresten. Zweifellos die Überreste einiger Nachzügler.
Die Ausbeute war so mager, dass weder Kimball noch die ägyptische Regierung daran interessiert waren, die Funde zu behalten. So kamen sie in unseren Besitz.«
»Ich wusste gar nicht, dass Sie mit Kimball Rose gearbeitet haben. Sie haben nie erwähnt, dass Sie ihn kannten.«
»Er ist ein hervorragender Archäologe. Und ein überaus großzügiger Mann.«
»Und sein Sohn?«, fragte sie leise. »Wie gut kannten Sie Bradley?«
»Ach ja, Bradley.« Er stellte die Kiste ins Regal zurück.
»Alle fragen sie nach Bradley. Die Polizei, Sie. Aber die Wahrheit ist, dass ich mich kaum an den Jungen erinnere. Ich kann nicht glauben, dass ein Sohn von Kimball eine Bedrohung für Sie darstellen soll. Diese Ermittlung ist ganz und gar nicht fair seiner Familie gegenüber.« Er wandte sich zu ihr um, und sein Blick war plötzlich so eindringlich, dass es sie nervös machte. »Er hat ausschließlich in Ihrem Interesse gehandelt.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich hatte die Wahl zwischen einer ganzen Reihe von Bewerbern, und ich habe mich für Sie entschieden. Weil er es so wollte. Er hat sich um Sie gekümmert.«
Sie wich zurück.
»Sie haben wirklich nichts davon gewusst?«, fragte er und trat auf sie zu. »Die ganze Zeit ist er Ihr heimlicher Unterstützer gewesen. Er bat mich,
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