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Grabkammer

Grabkammer

Titel: Grabkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Moment warten, hole ich sie Ihnen«, sagte er und verließ das Zimmer.
    Die grausigen Fotos auf dem Couchtisch hatten ihren Zweck erfüllt, und Jane konnte ihren Anblick nicht länger ertragen.
    Während sie sie einsammelte, tauchte das verstörende Bild eines vierten Opfers vor ihrem inneren Auge auf, einer weiteren dunkelhaarigen Schönheit, konserviert wie ein Stück Pökelfleisch, und sie fragte sich, ob Josephine vielleicht in diesem Moment vom Leben zum Tod befördert wurde.
    Ihr Handy klingelte. Sie ließ die Fotos fallen, um den Anruf anzunehmen.
    »Ich bin’s«, sagte Barry Frost.
    Mit ihm hatte sie wirklich nicht gerechnet. Sie machte sich schon darauf gefasst, das Neueste von seiner Ehekrise zu hören, und fragte behutsam: »Wie geht es dir?«
    »Ich habe gerade mit Dr. Welsh gesprochen.«
    Sie hatte keine Ahnung, wer Dr. Welsh war. »Ist das euer Eheberater? Ich finde es toll, dass ihr das macht. Du und Alice, ihr müsst euch einfach mal richtig aussprechen und dann entscheiden, was ihr tun wollt.«
    »Nein, wir waren noch nicht bei der Eheberatung. Deswegen rufe ich auch nicht an.«
    »Und wer ist dann Dr. Welsh?«
    »Na, diese Biologin von der Uni, die mir alles über Moore und Feuchtgebiete erzählt hat. Sie hat mich heute zurückgerufen, und ich dachte, das würde dich sicher interessieren.«
    Dass er wieder über Moore und Feuchtgebiete redete, wertete Jane schon als großen Fortschritt. Wenigstens jammerte er nicht die ganze Zeit über Alice. Sie sah auf ihre Uhr und fragte sich, wie lange es wohl noch dauern würde, bis Dr. Hilzbrich Jimmy Ottos Akte gefunden hatte.
    »… und die ist total selten. Deswegen hat sie auch Tage gebraucht, um sie zu identifizieren. Sie musste einen Botaniker von Harvard hinzuziehen, und der hat es gerade bestätigt.«
    »Entschuldige bitte«, sagte sie, »worum geht es noch mal?«
    »Um diese Pflanzenteile, die wir in den Haaren der Moorlady gefunden haben. Es waren Blätter und so eine Art Samenkapsel. Dr. Welsh sagt, dass sie von einer Pflanze stammen, die sich …« Sie hörte, wie er in seinen Notizen blätterte.« … die sich Carex oronensis nennt. Das ist der wissenschaftliche Name. Sie ist auch als Orano-Segge bekannt.«
    »Und diese Pflanze wächst in Mooren?«
    »Und auf Feldern. Sie wächst auch gerne an stark gestörten Standorten wie Lichtungen und Wegrändern. Die Teile sahen frisch aus, weshalb Dr. Welsh annimmt, dass sie im Haar der Leiche hängen blieben, als sie bewegt wurde. Die Orano-Segge produziert erst ab Juli Samenkapseln.«
    Jane war jetzt ganz Ohr. »Du sagtest, diese Pflanze sei selten.
    Wie selten?«
    »Es gibt nur eine einzige Region auf der ganzen Welt, wo sie wächst: das Tal des Penobscot River.«
    »Wo ist das?«
    »In Maine. In der Gegend von Bangar.«
    Sie starrte aus dem Fenster auf den dichten Verhau aus Bäumen, der Dr. Hilzbrichs Haus umgab. Maine. Bradley Rose hat zwei Jahre seines Lebens dort verbracht.
    »Rizzoli«, sagte Frost. »Ich will wieder einsteigen.«
    »Was?«
    »Ich hätte euch nicht hängen lassen dürfen. Ich will wieder ins Team.«
    »Bist du sicher, dass du schon dazu bereit bist?«
    »Ich brauche das jetzt. Ich will mich nützlich machen.«
    »Das hast du schon getan. Schön, dich wieder an Bord zu haben.«
    Während sie das Gespräch beendete, kam Dr. Hilzbrich mit drei dicken Ordnern unter dem Arm zurück. »Das ist Jimmys Akte«, sagte er und drückte sie ihr in die Hand.
    »Eine Frage hätte ich noch, Dr. Hilzbrich.«
    »Ja.«
    »Sie sagten, die Anstalt sei geschlossen worden. Was wurde aus dem Anwesen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich habe jahrelang versucht, es zu verkaufen, aber ohne Erfolg. Viel zu abgelegen, um für irgendwelche Spekulanten von Interesse zu sein. Ich kann die Steuern nicht mehr aufbringen, also werde ich es jetzt wohl verlieren.«
    »Das Haus steht zurzeit leer?«
    »Es ist schon seit Jahren verriegelt und verrammelt.« Wieder sah sie auf ihre Uhr, und sie überlegte, wie viele Stunden Tageslicht ihr noch blieben. Sie sah zu Hilzbrich auf.
    »Sagen Sie mir, wie ich dort hinkomme.«
     
    Josephine lag hellwach auf der verschimmelten Matratze in ihrem dunklen Gefängnis, starrte ins Leere und dachte an den Tag vor zwölf Jahren, als sie und ihre Mutter aus San Diego geflüchtet waren. Es war der Morgen, nachdem Medea das Blut aufgewischt, die Wände abgewaschen und die Leiche des Mannes beseitigt hatte, der in ihr Haus eingedrungen war – und der damit ihr Leben unwiderruflich

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