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Grabkammer

Grabkammer

Titel: Grabkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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der Mann, der ihr gegenübersaß, wirkte keineswegs geknickt und ganz bestimmt nicht demütig oder schicksalsergeben. Er war immer noch vom Scheitel bis zur Sohle Doktor Hilzbrich, für den eine polizeiliche Ermittlung nur eine lästige Lappalie war.
    »Woher wissen Sie, dass mein ehemaliger Patient für die Entführung dieser jungen Frau verantwortlich ist?«, fragte er.
    »Wir haben eine ganze Reihe von Gründen, Bradley Rose zu verdächtigen.«
    »Und welche Gründe sind das?«
    »Über die Einzelheiten darf ich Ihnen nichts sagen.«
    »Und dennoch erwarten Sie von mir, dass ich Ihnen seine Psychiatrieakte offenlege?«
    »Wenn das Leben einer Frau auf dem Spiel steht? O ja, das tue ich. Und Sie wissen ganz genau, was Ihre Pflichten sind.«
    Sie machte eine Pause. »Schließlich waren Sie schon einmal in einer ähnlichen Situation.«
    Seine Miene wurde plötzlich starr, und das verriet ihr, dass er genau wusste, wovon sie sprach.
    »Es ist schon einmal ein Patient von Ihnen durchgedreht« I sagte sie. »Die Eltern seiner Opfer waren wohl nicht so begeistert von diesem ganzen Schmu mit der ärztlichen Schweigepflicht, wie? Tja, so reagieren Eltern nun mal, wenn jemand ihre Tochter zersägt und zerstückelt. Sie trauern, sie sind wütend, und am Ende klagen sie. Und dann sind die Zeitungen plötzlich voll von der Geschichte.« Sie blickte sich in dem abgewohnten Zimmer um. »Haben Sie eigentlich immer noch Patienten?«
    »Sie wissen genau, dass dem nicht so ist.«
    »Ist wohl ein bisschen schwierig, als Psychiater zu praktizieren, wenn man seine Approbation verloren hat.«
    »Es war eine Hexenjagd. Die Eltern brauchten einen Schuldigen.«
    »Sie wussten genau, wer der Schuldige war – Ihr perverser Expatient. Sie waren derjenige, der ihn für geheilt erklärt hatte.«
    »Die Psychiatrie ist keine exakte Wissenschaft.«
    »Sie müssen gewusst haben, dass Ihr Patient der Täter war.
    Als dieses Mädchen ermordet wurde, müssen Sie seine Handschrift erkannt haben.«
    »Ich hatte keinen Beweis, dass er es war.«
    »Sie hofften einfach, dass das Problem sich von selbst erledigen würde. Also haben Sie nichts getan, haben der Polizei nichts gesagt. Werden Sie zulassen, dass es bei Bradley Rose genauso läuft? Obwohl Sie uns helfen könnten, ihm das Handwerk zu legen?«
    »Ich wüsste nicht, wie ich Ihnen helfen könnte.«
    »Geben Sie uns seine Akte heraus.«
    »Sie verstehen nicht. Wenn ich sie Ihnen gebe, wird er …« Er brach ab.
    »Er?« Der Blick, mit dem sie ihn fixierte, war so bohrend, dass er zurückwich, als hätte sie ihn mit physischer Gewalt in seinen Sessel gedrückt. »Sie sprechen von Bradleys Vater. Habe ich recht?«
    Dr. Hilzbrich schluckte. »Kimball Rose hat mich vorgewarnt, dass Sie auf mich zukommen würden. Er erinnerte mich daran, dass Psychiatrieakten vertraulich sind.«
    »Auch wenn das Leben einer Frau in Gefahr ist?«
    »Er sagte, er würde mich verklagen, wenn ich die Unterlagen herausgäbe.« Er lachte auf und blickte sich im Wohnzimmer um. »Als ob sie mir noch irgendetwas wegnehmen könnten.
    Dieses Haus gehört der Bank. Meine Anstalt ist seit Jahren geschlossen, und der Staat wird demnächst die Zwangsvollstreckung einleiten. Ich kann nicht einmal mehr die verdammte Grundsteuer bezahlen.«
    »Wann hat Kimball mit Ihnen gesprochen?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Er rief mich vor gut einer Woche an. An das genaue Datum erinnere ich mich nicht mehr.«
    Das war wohl bald nach ihrem Besuch in Texas gewesen.
    Von Anfang an hatte Kimball Rose der Ermittlung Steine in den Weg gelegt; alles nur, um seinen Sohn zu schützen.
    Hilzbrich seufzte. »Ich kann Ihnen diese Akte sowieso nicht geben. Weil ich sie gar nicht mehr habe.«
    »Wer hat sie denn?«
    »Niemand. Sie wurde vernichtet.«
    Sie starrte ihn ungläubig an. »Wie viel hat er Ihnen dafür bezahlt? Waren Sie billig zu haben?«
    Er lief rot an und sprang auf. »Ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen.«
    »Aber ich habe Ihnen eine ganze Menge zu sagen. Als Erstes werde ich Ihnen einmal zeigen, was Bradley so getrieben hat.«
    Sie griff in ihre Aktentasche und zog einen Stapel Leichenfotos heraus. Eins nach dem anderen knallte sie die Bilder auf den Couchtisch, eine groteske Galerie der Opfer. »Das ist das Werk Ihres Patienten.«
    »Ich fordere Sie jetzt auf zu gehen.«
    »Sehen Sie sich an, was er getan hat.«
    Er wandte sich zur Tür. »Ich brauche mir das nicht anzusehen.«
    »Schauen Sie hin, verdammt!«
     
    Er hielt inne und drehte

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