Grabkammer
verhindern, dass in ihrem exklusiven Bekanntenkreis darüber geklatscht wurde. Bradley kam in unsere Einrichtung und blieb zwei Jahre.«
»Ein ziemlich langer Aufenthalt, wie mir scheint.«
»Sein Vater wollte es so. Kimball wünschte, dass der Junge seine Flausen gründlich ausgetrieben bekam, damit er seine Familie nicht wieder in Verlegenheit bringen konnte. Die Mutter wollte ihn wieder nach Hause holen, aber Kimball setzte sich durch. Und Bradley schien sich bei uns ganz wohl zu fühlen. Zu unseren Anlagen gehörten Wälder und Wanderwege, sogar ein Fischteich zum Angeln. Er war gerne in der freien Natur, und er freundete sich sogar mit ein paar Mitschülern an.«
»Zum Beispiel mit Jimmy Otto?«
Hilzbrich verzog das Gesicht, als er diesen Namen hörte. »Wie ich sehe, erinnern Sie sich auch an Jimmy«, meinte Jane.
»Ja«, antwortete er leise. »Jimmy … vergaß man nicht so leicht.«
»Sie haben mitbekommen, dass er tot ist? Er wurde vor zwölf Jahren in San Diego erschossen, als er in das Haus einer Frau einbrach.«
Er nickte. »Ein Detective rief mich damals aus San Diego an.
Er wollte Hintergrundinformationen. Er fragte mich, ob ich mir vorstellen könne, dass Jimmy im Begriff war, eine Straftat zu begehen, als er getötet wurde.«
»Ich nehme an, dass Sie seine Frage bejaht haben.«
»Ich habe Hunderte von Jungen mit soziopathischer Veranlagung behandelt, Detective. Jungen, die Feuer legten, Tiere quälten und ihre Klassenkameraden tätlich angriffen. Aber nur wenige machten mir wirklich Angst.« Er sah ihr in die Augen.
»Jimmy Otto war einer von ihnen. Er war prädestiniert zum Gewalttäter.«
»Und etwas von dieser Veranlagung muss auf Bradley abgefärbt haben.«
Hilzbrich blinzelte verwirrt. »Was?«
»Sie wissen nicht von ihrer Partnerschaft? Sie stellten gemeinsam ihren Opfern nach, Bradley und Jimmy. Und sie haben sich in Ihrer Anstalt kennengelernt. Ist Ihnen das nicht aufgefallen?«
»Wir hatten nur dreißig stationäre Patienten, also ist es kein Wunder, dass sie sich kannten. Sie dürften gemeinsam an der Gruppentherapie teilgenommen haben. Aber diese beiden Jungen waren charakterlich vollkommen verschieden.«
»Vielleicht haben sie deswegen so gut zusammengearbeitet. Sie dürften einander ergänzt haben. Einer war der Anführer, der andere der Mitläufer. Wir wissen nicht, wer die Opfer ausgewählt hat oder wer das eigentliche Töten übernahm, aber es ist klar, dass sie Partner waren. Sie legten gemeinsam eine Sammlung an. Bis zu der Nacht, in der Jimmy getötet wurde.« Sie fixierte ihn mit einem unerbittlichen Blick. »Und jetzt macht Bradley ohne ihn weiter.«
»Dann ist er nicht mehr der Mensch, als den ich ihn in Erinnerung habe. Hören Sie, ich wusste, dass Timmy gefährlich war.
Schon als Fünfzehnjähriger jagte er mir Angst ein. Jeder hatte Angst vor ihm, seine Eltern eingeschlossen. Aber Bradley?« Er schüttelte den Kopf. »Gewiss, er ist amoralisch. Und sicherlich könnte man ihn zu allem Möglichen überreden, vielleicht sogar zu einem Mord. Aber er ist ein Mitläufer, kein Anführer. Er braucht jemanden, der ihn anleitet; jemanden, der die Entscheidungen trifft.«
»Einen zweiten Partner wie Jimmy, meinen Sie.« Hilzbrich schüttelte sich. »Gott sei Dank laufen nicht allzu viele Monster wie Jimmy Otto frei herum. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was Bradley alles von ihm gelernt haben könnte.«
Janes Blick fiel auf die Fotos auf dem Tisch. Er hat genug gelernt, um allein weiterzumachen. Genug, um Timmy an Ungeheuerlichkeit in nichts nachzustehen.
Sie sah Hilzbrich an. »Sie sagen, Sie können mir Bradleys Akte nicht aushändigen.«
»Ich sagte Ihnen doch, dass sie vernichtet wurde.«
»Dann geben Sie mir die von Jimmy Otta.«
Er zögerte, als ob ihre Aufforderung ihn verwirrte.
»Warum?«
»Jimmy ist tot, er wird sich also kaum wegen Verletzung der Schweigepflicht beklagen.«
»Was wollen Sie denn mit der Akte anfangen?«
»Er war Bradleys Partner. Sie reisten zusammen, sie mordeten zusammen. Wenn ich verstehe, wie Jimmy getickt hat, kann ich mir vielleicht auch ein Bild von dem Mann machen, zu dem Bradley geworden ist.«
Er dachte einen Moment über ihre Bitte nach. Dann nickte er und stand auf. »Ich muss die Akte heraussuchen. Das könnte eine Weile dauern.«
»Sie bewahren sie hier auf?«
»Glauben Sie, ich könnte es mir leisten, einen Lagerraum zu mieten? Die gesamten Akten des Instituts sind hier in meinem Haus. Wenn Sie einen
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