Grabkammer
leiseste Ahnung, dass sich in unserer Sammlung jemals eine Mumie befunden hatte.«
»Miss Duke sagte uns, dass der größte Teil der Sammlung von Ihren Vorfahren zusammengetragen wurde, Mr. Crispin.«
»Fünf Generationen von Crispins haben selbst vor Ort Kelle und Schaufel geschwungen. Das Sammeln ist unsere Familienleidenschaft. Leider ist es auch eine kostspielige Manie, und dieses Museum hat schon mein gesamtes Erbe aufgezehrt.«
Wieder ein Seufzer. »Und deshalb stehen wir heute so da, wie wir dastehen – ohne Mittel, ganz auf ehrenamtliche Helfer angewiesen. Und auf Spenden.«
»Könnte Madam X auf diese Weise in die Sammlung gelangt sein?«, fragte Frost. »Als Spende?«
»Es kommt durchaus vor, dass wir Artefakte geschenkt bekommen«, antwortete Simon. »Manchmal möchte jemand eine kostbare Antiquität, die er selbst nicht angemessenen pflegen kann, sicher untergebracht wissen. Ein anderer will seinen Namen auf einer hübschen kleinen Messingtafel an einem Dauerexponat verewigt sehen. Wir nehmen so ziemlich alles, was man uns anbietet.«
»Aber über eine geschenkte Mumie steht nichts in Ihren Büchern?«
»Nicholas hat sie nirgends erwähnt gefunden. Und glauben Sie mir, er hat gründlich gesucht. Er hat sich ganz dieser Aufgabe gewidmet. Im März haben wir Josephine eingestellt, damit sie uns bei den Nachforschungen zu Madam X hilft, und auch sie konnte die Herkunft der Mumie nicht eruieren.«
»Es ist denkbar, dass Madam X in Dr. Scott-Kerrs Zeit als Kurator erworben wurde«, meinte Debbie.
»Der Alzheimer hatte«, bemerkte Jane.
»Richtig. Und er könnte die Unterlagen verlegt haben. Das würde einiges erklären.«
»Klingt nach einer einleuchtenden Theorie«, bestätigte Jane.
»Aber wir müssen auch andere in Betracht ziehen. Wer hat alles Zugang zum Museumskeller?«
»Die Schlüssel werden am Empfang aufbewahrt; damit haben so ziemlich alle Mitarbeiter Zugang.«
»Dann hätte also jeder Ihrer Angestellten Madam X in den Keller verbringen können?«
Es war einen Moment still. Debbie und Simon wechselten einen Blick, und seine Miene verfinsterte sich. »Was Sie da andeuten, gefällt mir gar nicht, Detective.«
»Es ist eine berechtigte Frage.«
»Wir sind eine ehrwürdige Institution mit hervorragenden Mitarbeitern, die meisten davon Freiwillige«, betonte Simon. »Unsere Museumsführer, unsere studentischen Praktikanten – sie sind alle hier, weil ihnen die Erhaltung kostbarer Kulturgüter am Herzen liegt.«
»Ich wollte nicht irgendjemandes Engagement in Frage stellen. Ich wollte nur wissen, wer alles Zugang hatte.«
»Ihre eigentliche Frage ist doch: Wer hätte dort unten eine Leiche verstecken können?«
»Das ist eine Möglichkeit, die wir in Betracht ziehen müssen.«
»Glauben Sie mir, in diesem Haus arbeiten keine Mörder.«
»Können Sie sich da hundertprozentig sicher sein, Mr. Crispin?«, fragte Jane. Ihre Stimme war leise, aber ihrem Blick konnte er nicht ausweichen. Sie konnte sehen, dass ihre Frage ihn aus der Fassung brachte. Sie hatte ihn gezwungen, der unerfreulichen Wahrheit ins Auge zu sehen, dass möglicherweise jemand, den er persönlich kannte oder gekannt hatte, den Tod in diese stolze Bastion der Gelehrsamkeit hineingetragen hatte.
»Es tut mir leid, Mr. Crispin«, sagte sie schließlich. »Aber es könnte sein, dass der Museumsbetrieb in der nächsten Zeit ein wenig gestört wird.«
»Wie meinen Sie das?«
»Irgendwie ist eine Leiche in Ihr Museum gelangt. Vielleicht wurde sie Ihnen schon vor zehn Jahren gespendet. Vielleicht ist sie aber auch erst vor Kurzem hier versteckt worden. Das Problem ist, dass Sie keine Unterlagen haben. Sie wissen nicht einmal, was sich sonst noch in Ihrer Sammlung befindet. Wir werden uns in Ihrem Keller umsehen müssen.«
Simon schüttelte verwirrt den Kopf. »Und was genau hoffen Sie da zu finden?«
Sie gab ihm keine Antwort, und das war auch nicht nötig.
»Ist das wirklich absolut notwendig?«, fragte Nicholas Robinson. »Müssen Sie unbedingt so vorgehen?«
»Ich fürchte, ja«, antwortete Jane und übergab ihm den Durchsuchungsbeschluss. Mit ihrem Team von drei Detectives sah sie zu, wie er das Papier durchlas. Für die heutige Suchaktion hatten sie und Frost ihre Kollegen Tripp und Crowe mitgenommen, und alle warteten sie ungeduldig, während Robinson das Dokument mit quälender Gründlichkeit in Augenschein nahm. Der stets ungeduldige Darren Crowe machte seinem Frust mit einem vernehmlichen Stöhnen Luft,
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