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Grabkammer

Grabkammer

Titel: Grabkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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neue Stücke an?«
    »Oh, wir müssen nichts Neues anschaffen. Unten im Keller lagert so viel, dass wir wahrscheinlich die nächsten zwanzig Jahre jeden Monat eine neue Ausstellung aufbauen könnten, ohne uns je zu wiederholen.«
    »Und was haben Sie im Moment da oben?«
    »Knochen.«
    »Meinen Sie Menschenknochen?«
    Debbie musterte ihn leicht amüsiert. »Selbstverständlich. Wie sollen wir sonst die Aufmerksamkeit eines hoffnungslos übersättigten Publikums anziehen? Wir könnten ihnen die erlesenste Ming-Vase oder einen persischen Wandschirm aus geschnitztem Elfenbein zeigen, und sie würden sich gelangweilt abwenden und schnurstracks die menschlichen Skelette ansteuern.«
    »Und woher stammen diese Knochen?«
    »Glauben Sie mir, diese hier sind gründlich dokumentiert. Einer der Crispins hat sie vor hundert Jahren aus der Türkei mitgebracht. Ich weiß nicht mehr genau, welcher es war – wahrscheinlich Cornelius. Dr. Robinson meinte, es sei an der Zeit, sie aus dem Lager zu holen und sie wieder ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. In dieser Ausstellung dreht sich alles um antike Bestattungspraktiken.«
    »Sie hören sich selbst wie eine Archäologin an.«
    »Ich?« Debbie lachte. »Ich habe einfach nur zu viel Zeit, und ich liebe schöne Dinge. Deswegen finde ich, dass Museen es wert sind, unterstützt zu werden. Haben Sie die Ausstellung im Erdgeschoss gesehen? Abgesehen von den ausgestopften Fleischfressern haben wir auch Exponate, die es verdienen, gesehen zu werden. Darauf sollte sich das Museum konzentrieren, nicht auf tote Bären – aber man muss dem Publikum nun mal geben, was es verlangt. Deswegen hatten wir so große Hoffnungen in Madam X gesetzt. Sie hätte genug eingebracht, um zumindest unsere Heizkosten zu decken.«
    Sie hatten den zweiten Stock erreicht und betraten die Ausstellung »Begräbnisstätten der Antike«. Jane sah Vitrinen mit menschlichen Knochen, die im Sand arrangiert waren, als hätte die Schaufel des Archäologen sie eben erst freigelegt. Während Debbie zielstrebig daran vorbeimarschierte, blieb Jane wieder einmal zurück, in Bann gezogen vom Anblick der Skelette, die in Embryonalstellung dalagen, darunter eine Mutter, die mit ihren Knochenarmen liebevoll die zerfallenen Überreste eines Kindes umarmte. Das Kind konnte kaum älter gewesen sein als ihre eigene Tochter Regina. Ein ganzes Dorf der Toten liegt hier, dachte Jane. Was für ein Mensch muss das sein, der diese Verstorbenen so brutal aus ihren Ruhestätten zerrt und in ein fremdes Land schafft, um sie von aller Welt begaffen zu lassen? Hatte Simon Crispins Vorfahre auch nur einen Anflug von schlechtem Gewissen verspürt, als er diese Gebeine ihren Gräbern entrissen hatte? Alte Münzen, Marmorstatuen oder Menschenknochen – die Crispins behandelten sie alle gleich: als Objekte ihrer Sammelleidenschaft, die sie wie Trophäen präsentierten.
    »Detective?«, sagte Debbie.
    Jane und Barry Frost ließen die stummen Toten hinter sich und folgten Debbie in Simon Crispins Büro.
    Der Mann, der dort saß und auf sie wartete, wirkte viel gebrechlicher, als Jane erwartet hatte. Sein Haar bestand nur noch aus ein paar dünnen weißen Strähnen; Hände und Kopfhaut waren mit braunen Altersflecken übersät. Doch in seinen durchdringenden blauen Augen blitzte lebhaftes Interesse, als er seinen bei den Besuchern die Hand schüttelte.
    »Danke, dass Sie sich Zeit für uns nehmen, Mr. Crispin«, sagte Jane.
    »Ich wünschte, ich hätte selbst bei der Autopsie dabei sein können«, erwiderte er. »Aber meine Hüfte ist von der Operation noch nicht ganz verheilt, und ich humple immer noch am Stock. Bitte, nehmen Sie doch Platz.«
    Jane sah sich in dem Büro um, das mit einem Schreibtisch aus massiver Eiche und Sesseln mit zerschlissenem grünem Samtbezug möbliert war. Mit seinen dunklen Holzpaneelen und venezianischen Fenstern erinnerte das Zimmer an einen eleganten viktorianischen Club, wo Gentlemen ihren Sherry schlürften.
    Aber wie der Rest des Gebäudes konnte auch dieser Raum sein Alter nicht verbergen. Der Perserteppich war völlig abgetreten, und die vergilbten Folianten im Bücherschrank schienen mindestens hundert Jahre alt zu sein.
    Jane setzte sich in einen der samtbezogenen Sessel. Er hatte die Abmessungen eines Throns, und sie kam sich plötzlich ganz klein vor, wie ein Kind, das einen Tag lang Königin spielt. Auch Frost nahm in einem der klobigen Sessel Platz, doch er hatte so gar nichts Königliches an sich, wie er

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