Grabkammer
seinen Wagen in der Garage stehen, als das Tor sich öffnete. Hier würde er keine fragenden Blicke auf sich ziehen, keine anzüglichen Bemerkungen provozieren. Sie stellte ihr Auto daneben ab und beeilte sich, das Garagentor wieder zu schließen und diesen offenkundigen Beweis dafür, dass sie an diesem Abend nicht allein war, vor den Augen der Nachbarn zu verbergen. Solche Heimlichtuerei konnte einem rasch in Fleisch und Blut übergehen, und für Maura war es schon zur Routine geworden, stets das Garagentor zu schließen, die Vorhänge zuzuziehen und den scheinbar arglosen Fragen von Kollegen und Nachbarn geschickt auszuweichen. Bist du eigentlich zurzeit solo? Möchtest du nicht mal zum Essen vorbeikommen? Ich kenne da einen total netten Mann, den kann ich dir gerne mal vorstellen. In den letzten Monaten hatte sie so viele Einladungen ausgeschlagen, dass sie inzwischen kaum noch welche bekam. Hatten die Leute sie schlicht aufgegeben, oder hatten sie den Grund für ihr Desinteresse und ihre Zurückgezogenheit erraten?
Dieser Grund stand jetzt in der Tür und wartete auf sie. Sie trat ins Haus und sank in Daniel Brophys Arme. Es war zehn Tage her, dass sie sich zuletzt gesehen hatten zehn Tage, in denen das Verlangen in ihr immer stärker geworden war, bis es sie fast verzehrte. Jetzt hielt sie es einfach nicht länger aus. Ihre Einkäufe lagen noch im Wagen, sie musste kochen, doch nichts lag ihr ferner als der Gedanke ans Essen, als ihre Lippen sich trafen. Daniel war das Einzige, was sie verschlingen wollte, und sie weidete sich an ihm, als sie unter Küssen in Richtung Schlafzimmer taumelten – sündige Küsse, die der Gedanke an ihre Verbotenheit nur noch köstlicher machte. Wie viele neue Sünden werden wir in dieser Nacht begehen?, fragte sie sich, als sie zusah, wie er sein Hemd aufknöpfte. Heute Abend trug er nicht seinen Priesterkragen; heute Abend kam er zu ihr als ein Liebender, nicht als ein Mann Gottes.
Vor Monaten hatte er das Gelübde gebrochen, das ihn an seine Kirche band. Sie war verantwortlich dafür; sie war der Grund für seinen Sündenfall gewesen, und einmal gefallen, zog es ihn wieder und wieder in ihr Bett, in ihre Arme. So vertraut war ihm ihr Körper inzwischen, dass er genau wusste, was sie wollte, was er tun musste, damit sie sich an ihn klammerte und vor Lust schrie.
Als sie schließlich mit einem Seufzer der Befriedigung auf das Kissen zurücksank, lagen sie beieinander, wie sie es immer taten, Arme und Beine ineinander verschlungen, zwei Liebende, die den Körper des anderen kannten wie ihren eigenen.
»Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, seit du zuletzt hier warst«, wisperte sie.
»Ich wäre ja am Donnerstag gekommen, aber dieses Seminar hat sich endlos hingezogen.«
»Was für ein Seminar?«
»Eheberatung.« Er lachte – ein trauriges, ironisches Lachen.
»Als ob ausgerechnet ich der Richtige wäre, den Leuten zu erzählen, wie sie ihre Ehe retten können. Sie sind so voller Wut und Schmerz, Maura. Es war eine Qual, auch nur im selben Raum mit diesen Menschen zu sitzen. Ich hätte ihnen am liebsten gesagt: Es wird nie funktionieren, ihr werdet nie glücklich miteinander sein. Ihr habt den falschen Menschen geheiratet!«
»Das wäre vielleicht der beste Rat gewesen, den du ihnen hättest geben können.«
»Es wäre ein Akt der Gnade gewesen.« Zärtlich strich er ihr das Haar aus der Stirn, und seine Hand verweilte auf ihrer Wange. »Es wäre so viel besser für sie gewesen, ihnen zu erlauben zu gehen. Und jemanden zu finden, der sie glücklich machen kann. So, wie du mich glücklich machst.«
Sie lächelte. »Und du machst mich hungrig.« Sie setzte sich auf, und die animalischen Gerüche von Lust und erhitzten Leibern stiegen aus den zerwühlten Laken auf. »Ich habe dir ein Abendessen versprochen.«
»Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil du immer für mich kochst.« Auch er setzte sich auf und griff nach seinen Kleidern.
»Sag mir, was ich tun kann.«
»Ich habe den Wein im Auto gelassen. Warum holst du nicht die Flasche und machst sie schon mal auf? Ich schiebe inzwischen das Huhn in den Ofen.«
In der Küche tranken sie Wein, während das Huhn in der Röhre schmorte, sie die Kartoffeln in Scheiben schnitt und er den Salat machte. Wie ein ganz normales Ehepaar kochten sie zusammen, berührten einander beiläufig und tauschten Küsse.
Aber wir sind nicht verheiratet, dachte sie, während sie verstohlen sein markantes Profil, seine ergrauenden Schläfen
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