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Grabkammer

Grabkammer

Titel: Grabkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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war, weil seine Frau verreist war und er einsam war und Josephine Pulcillo so große braune Augen hatte?
    »Sind Sie aus irgendeinem Grund gegenüber dieser Frau voreingenommen?«
    »Was?« Jane lachte ungläubig. »Sie glauben, ich bin diejenige, die …«
    »Wieso macht sie Sie so nervös?«
    »Das tut sie nicht. Sie hat nur so etwas Ausweichendes. Als ob sie versucht, immer einen Schritt voraus zu sein.«
    »Ihnen – oder dem Mörder? Nach allem, was ich gehört habe, hat die junge Frau allen Grund, sich zu fürchten. Eine Leiche wurde ihr ins Auto gelegt. Es sieht fast nach einem Geschenk des Mörders aus – einer Opfergabe, wenn Sie so wollen. An seine nächste Gefährtin.«
    Seine nächste Gefährtin. Bei dieser Formulierung richteten sich die Härchen auf Janes Unterarmen auf.
    »Ich gehe davon aus, dass sie an einen sicheren Ort gebracht wurde?«, sagte Zucker. Da niemand ihm antwortete, blickte er sich am Tisch um. »Wir sind uns doch sicher alle einig, dass sie in Gefahr schwebt. Wo ist sie jetzt?«
    »Das ist ein Punkt, den wir im Augenblick zu klären versuchen«, gestand Jane.
    »Sie wissen nicht, wo sie ist?«
    »Sie sagte uns, sie würde ihre Tante in Burlington besuchen, eine Frau namens Connie Pulcillo. Wir können aber nirgends einen Eintrag zu diesem Namen finden. Wir haben ihr auf die Mailbox gesprochen, aber sie hat noch nicht zurückgerufen. »
    Zucker schüttelte den Kopf. »Das klingt nicht gut. Haben Sie ihre Bostoner Adresse überprüft?«
    »Da ist sie nicht. Ein Hausbewohner hat gesehen, wie sie das Gebäude am Freitag mit zwei Koffern verlassen hat.«
    »Auch wenn sie aus Boston abgereist ist, muss sie noch nicht in Sicherheit sein«, sagte Zucker. »Dieser Täter hat offensichtlich kein Problem damit, seine Aktivitäten auf mehrere Bundesstaaten auszuweiten. Er scheint keine geografischen Grenzen zu kennen. Das heißt, dass er ihr gefolgt sein könnte.«
    »Falls er weiß, wo sie ist. Obwohl wir sie nicht finden können.«
    »Aber für ihn ist sie der Mittelpunkt. Und das vielleicht schon seit längerer Zeit. Wenn er sie beobachtet hat und ihr gefolgt ist, dann weiß er vielleicht auch jetzt sehr genau, wo sie ist.«
    Zucker lehnte sich mit sichtlich besorgter Miene zurück. »Warum hat sie nicht zurückgerufen? Etwa, weil sie es nicht mehr kann?«
    Ehe Jane etwas erwidern konnte, ging die Tür auf, und Frost kam herein. Sie musste nur sein Gesicht sehen und wusste sofort, dass etwas nicht stimmte. »Was ist passiert?«
    »Josephine Pulcillo ist tot«, sagte er.
    Seine nüchterne Feststellung ließ sie alle wie elektrisiert zusammenfahren.
    »Tau« Jane fuhr aus ihrem Stuhl hoch. »Wie? Was ist passiert, Mann?«
    »Es war ein Autounfall. Aber …«
    »Dann war es also nicht unser Täter.«
    »Nein. Es war definitiv nicht unser Täter«, erwiderte Frost.
    Jane härte den Zorn in seiner Stimme, und sie sah ihn auch in seinen zusammengepressten Lippen, seinen zu Schlitzen verengten Augen.
    »Sie starb in San Diego«, sagte Frost. »Vor vierundzwanzig Jahren.«
     
    Sie waren schon eine halbe Stunde gefahren, ehe Jane endlich das peinliche Thema ansprach – ein Thema, das sie während des Fluges von Boston nach Albuquerque erfolgreich umschifft hatten.
    »Du hattest dich in sie verguckt. Stimmt’s?«
    Frost sah sie nicht an. Er konzentrierte sich weiter aufs Fahren, den Blick starr auf die Straße gerichtet. Die Asphaltdecke flimmerte unter der Sonne New Mexicos, heiß wie ein Waffeleisen. In der ganzen Zeit, die sie nun schon zusammenarbeiteten, hatte sie noch nie eine solche Mauer zwischen ihnen gespürt, eine schier undurchdringliche Barriere. Das war nicht der gutmütige Barry Frost, den sie kannte; das war sein böser Zwilling, und sie hätte sich nicht gewundert, wenn er plötzlich angefangen hätte, in unbekannten Sprachen zu sprechen und mit dämonischem Grinsen den Kopf um dreihundertsechzig Grad zu drehen.
    »Wir sollten wirklich darüber reden«, beharrte sie.
    »Ach, hör schon auf, ja?«
    »Du kannst dir nicht ständig deswegen Vorwürfe machen. Sie ist ein hübsches Mädchen, und sie hat dich hinters Licht geführt. Das kann doch jedem passieren.«
    »Aber nicht mir.« Jetzt endlich sah er sie an, und seine blanke Wut ließ sie verstummen. »Ich kann nicht glauben, dass ich es nicht gesehen habe«, sagte er und richtete den Blick wieder auf die Straße. Einen Moment lang war nichts zu hören außer dem Rauschen der Klimaanlage und dem Surren der Reifen auf dem heißen

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