Grabkammer
wegen Alice.«
»Wie bitte?«
»Sie hasst Polizistenpartys.«
»Gehst du zu ihren Juristenpartys?«
»Schon.«
»Also, was willst du denn?«
Er zuckte mit den Achseln. »Ich will doch nur, dass sie glücklich ist, verstehst du?«
»Ich sage das wirklich ungern.«
»Dann sag’s nicht, okay?«
»Alice ist eine ganz schöne Zicke, nicht wahr?«
»Mensch, musstest du das jetzt unbedingt sagen?«
»Entschuldigung. Aber es stimmt doch.«
Er schüttelte den Kopf. »Gibt es überhaupt irgendwen, der auf meiner Seite ist?«
»Ich bin auf deiner Seite. Ich passe auf dich auf. Deswegen habe ich dir gesagt, dass du besser einen Riesenbogen um diese Josephine machen solltest. Ich bin nur froh, dass du endlich kapierst, wieso ich das gesagt habe.«
Seine Hände krampften sich ums Lenkrad. »Ich frage mich, wer sie wirklich ist. Und was sie eigentlich zu verbergen hat.«
»Morgen dürften wir erfahren, ob ihre Fingerabdrücke etwas hergeben.«
»Vielleicht ist sie auf der Flucht vor einem Exmann. Vielleicht steckt nicht mehr dahinter als das.«
»Wenn sie vor irgendeinem Widerling davonlaufen würde, hätte sie uns das doch gesagt, meinst du nicht? Wir sind die Guten. Wieso sollte sie vor der Polizei davonlaufen, wenn sie nicht irgendetwas ausgefressen hat?«
Er starrte auf die Straße. Bis zur Abzweigung zum Chaco Canyon waren es noch dreißig Meilen. »Ich kann es nicht erwarten, das herauszufinden«, sagte er.
Gerade einmal zehn Minuten hatte sie in der Hitze von New Mexico gestanden, da schwor Jane schon, dass sie sich nie mehr über einen Bostoner Sommer beklagen würde. Sekunden nachdem sie und Frost aus ihrem klimatisierten Mietwagen gestiegen waren traten ihr schon die Schweißperlen auf die Stirn, und der Sand war so heiß, dass sie glaubte, er müsse ihr die Schuhsohlen versengen. Die Wüstensonne brannte so gleißend hell, dass sie trotz der neuen Sonnenbrille, die sie sich unterwegs an einer Tankstelle gekauft hatte, noch die Augen zusammenkneifen musste. Frost hatte sich das gleiche Modell zugelegt, und in der Kombination mit seinem Anzug und der Krawatte hätte er glatt als Geheimagent oder einer der berüchtigten »Men in Black« durchgehen können, wäre er nicht so krebsrot im Gesicht gewesen. Er sah aus, als würde er jeden Moment mit einem Hitzschlag zusammenklappen.
Wie hält der alte Mann das eigentlich aus?
Alan Quigley war achtundsiebzig Jahre alt, aber das hielt den emeritierten Professor nicht davon ab, da unten im Graben zu kauern und sich mit seiner Kelle geduldig durch den steinigen Boden zu buddeln. Sein zerknautschter und fleckiger Tilley-Hut sah aus, als wäre er fast so alt wie sein Träger. Zwar arbeitete Quigley im Schatten einer Plane, aber allein die Hitze hätte einen jüngeren Mann schon umgehauen. Und tatsächlich hatten die Collegestudenten aus seinem Team die Arbeit für den Rest des Nachmittags eingestellt und dösten im Schatten vor sich hin, während ihr wesentlich älterer Professor unermüdlich am Fels herumkratzte und die lose Erde in einen Eimer schaufelte.
»Man verfällt irgendwann in einen Rhythmus«, erklärte Quigley. »Das Zen des Grabens, so nenne ich es. Diese jungen Leute, die stürzen sich mit ihrer ganzen unbändigen Energie in die Arbeit. Für sie ist das hier eine Schatzsuche, und sie haben es eilig, das Gold zu finden, bevor jemand anders es tut. Oder bevor das Semester um ist – je nachdem, was zuerst eintritt. Sie verpulvern ihre Kräfte, oder aber sie finden nur Staub und Steine und verlieren das Interesse. Die meisten jedenfalls. Aber die, denen es ernst ist, die wenigen, die dabeibleiben, die begreifen, dass ein Menschenleben nur einen Wimpernschlag währt. In einer einzigen Saison können Sie unmöglich alles ausgraben, was sich in Jahrhunderten angesammelt hat.«
Frost nahm seine Sonnenbrille ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Und, äh, wonach graben Sie nun da unten, Professor Quigley?«
»Nach Müll.«
»Das hier ist ein alter Abfallhaufen. Wir suchen nach Tonscherben oder Tierknochen. Sie können eine Menge über eine Gesellschaft lernen, wenn Sie sich anschauen, was die Leute weggeworfen haben. Und das hier war eine hochinteressante Gesellschaft.« Quigley richtete sich ächzend auf und wischte sich mit dem Ärmel über die wettergegerbte Stirn. »Meine alten Knie sind mal wieder reif für die Reparaturwerkstatt. Die gehen in unserem Beruf immer als Erstes drauf – die verfluchten Knie.« Er kletterte eine Leiter
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