Grablichter - Almstädt, E: Grablichter
zwischen Lisanne Olsens Tod und irgendwelchen alten Knochenfunden!«
»Kirchhagen ist ein Nest. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass dort mehrere Kapitalverbrechen begangen werden, ohne dass ein Zusammenhang besteht?«
»Das fragen Sie am besten einen Statistiker, Frau Korittki. Wir werden die Knochen analysieren lassen, aber Personenschutz ist nicht drin. Machen Sie Jan Dettendorf unmissverständlich klar, dass er keine Informationen zurückhalten darf. Wir könnten höchstens diesen Frank Reuter zu dem Überfall befragen …« Gabler ließ seinen Aktenkoffer zuschnappen. »Wenn sich dadurch bestätigt, dass der Überfall auf Dettendorf mit dem Mord in Zusammenhang steht, denke ich noch einmal über Personenschutz nach.«
»Das hätte ich dir gleich sagen können«, bemerkte Broders, als Gabler den Raum verlassen hatte. Pia kickte frustriert den Bürostuhl in Richtung Heizung, wo er mit einem lauten Knall gegen das Metall stieß.
Broders reckte sich und ließ dabei seine Schultergelenke knacken. »Warum sorgst du dich so um diesen Dettendorf, Pia? Er ist immerhin unser Hauptverdächtiger.«
»Ich weiß es nicht genau«, sagte sie, »aber er sah wirklich übel zugerichtet aus. Die, die da zugelangt haben, hatten keinerlei Hemmungen. Glaubst du da noch an einen Zufall, Broders?«
»Nein. Vielleicht hat er ja den Überfall selbst inszeniert, um den Verdacht von sich abzulenken …«
»Möglich wär’s.« Pia war nicht überzeugt.
»Es ist doch nur«, Broders machte einen Schritt auf sie zu, »weil es dir schon einmal passiert ist. Deshalb hast du jetzt das Gefühl, etwas tun zu müssen. Aber du kannst nicht alles kontrollieren.«
»Was ist mir passiert?«, fragte sie verwundert.
»Dass während der Ermittlungen ein Zeuge hopsgegangen ist. In Grevendorf, mit Unruh zusammen. Du erinnerst dich bestimmt, es war dein erster Fall bei uns.«
»Ach das … Aber da lag der Fall vollkommen anders. Ich habe nicht eine Sekunde daran gedacht«, sagte sie.
Broders grinste freudlos. Es war immer noch Montag: Die Woche konnte endlos werden.
19. Kapitel
A ls sie ihre Wohnungstür aufschloss, nahm Pia sich vor, die Gedanken über den Mord an Lisanne Olsen aus ihrem Kopf zu verbannen, wenigstens für ein paar Stunden. Sie schmiss ihre Jacke über einen Stuhl und fiel Hinnerk in die Arme, der aus der Küche in das Halbdunkel des kleinen Flures trat.
»Hey, schön, dass du da bist! Das war vielleicht ein Tag«, sagte sie nach einem ausgiebigen Kuss.
Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht und musterte sie. »Das sieht man. Möchtest du was trinken? Zu Essen ist nämlich nichts mehr da. Ich bin schon eine halbe Stunde hier und habe gerade den Rest Salzstangen aufgegessen, den ich im Schrank gefunden habe.«
»Wie waren die?«
»Bisschen weich.«
Pia schüttelte sich. »Die waren noch vom letzten Silvester, fürchte ich«, sagte sie und streifte die Stiefel von ihren Füßen.
»Ich bin ziemlich hungrig, und im Kühlschrank ist nur noch dein obligatorischer Tomatensaft, Pia. Irgendwie müssen wir uns etwas Essbares organisieren. Hast du eine Idee?«
Sie spürte einen Anflug von schlechtem Gewissen, weil sie ihn nach seiner Arbeit hergelockt hatte, ohne sich über das Essen irgendwelche Gedanken gemacht zu haben.
»Chinesisch?«, fragte sie hoffnungsvoll. Das war bei ihr des Öfteren die letzte Rettung, und gar nicht weit von ihrer Wohnung konnte man sich etwas Gutes holen.
»Ich habe befürchtet, dass du das sagen würdest. Manchmal weiß ich nicht, weshalb ich mich überhaupt noch darauf einlasse, zu dir zu kommen«, sagte er, doch sein spöttisches Lächeln milderte seine Worte ab.
»Weil Moritz bei dir durch die Wohnung schleicht und du meine Gesellschaft seiner Nörglerei vorziehst.« Und du weißt noch nicht, dass ich bisher noch keinen Urlaub eingereicht habe, setzte sie im Stillen hinzu. Doch bevor sie nicht beide etwas im Magen hatten, waren Diskussionen sowieso zwecklos.
Eine gute halbe Stunde später saßen sie im Schneidersitz auf dem Sofa, ein Tablett mit Pappschalen vom China-Imbiss zwischen sich. Hinnerk trank Bier, Pia hatte eine selbst gemixte Bloody Mary neben sich auf dem Fußboden stehen. Der Mond war gerade aufgegangen und zeigte sich als überdimensionale orangefarbene Scheibe über den Dächern von Lübeck. Im Wetterbericht hatten sie für die Nacht Temperaturen weit unter null angesagt. Das bedeutete, dass es in Pias Schlafzimmer unter der Dachschräge eiskalt werden würde, selbst wenn
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