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Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Titel: Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yang Jisheng
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werden.«
    Ich denke, dass mein bescheidenes Buch nicht ausreicht, um die Lehren aus der Geschichte nicht zu vergessen. Für das Erdbeben von Tangshan gibt es Denkmäler, für Hiroshima und Nagasaki gibt es Denkmäler, vielerorts in Europa gibt es Denk- und Mahnmale für den Zweiten Weltkrieg. Auch China muss in den Bezirken, in denen sich die Zahl der Verhungerten konzentrierte (wie in Xinyang, Tongwei, Luoding, Bozhou, Fengyang, Zunyi, Jinsha, Pi, Rong, Fengdu, Dayi, Guantao, Jining und all den anderen), muss in den Provinzen und Provinzhauptstädten von Sichuan, Anhui, Guizhou, Henan, Shandong, Gansu und Qinghai, wo die meisten Menschen verhungerten, und schließlich auch auf dem Tiananmen Mahnmale für die Große Hungersnot errichten. Diese Gedenksteine werden nicht nur an die Opfer erinnern, sie werden auch dafür sorgen, dass die Menschen die Katastrophe niemals vergessen und ihre Lehren daraus ziehen, damit sich die Tragödie nicht wiederholt.

3
    In den 80er und 90er Jahren, in denen die Ackerfläche im Vergleich zu den 60er Jahren abnahm und gleichzeitig die Bevölkerung um zweihundert Millionen wuchs, hat die chinesische Getreideproduktion dennoch zugenommen. Die jungen Menschen wissen nicht mehr, was Hunger ist, die Bauern stehen vor dem Problem, dass »Getreide schwer abzusetzen« ist. Das ist nur darauf zurückzuführen, dass es in den ländlichen Gebieten systemische Veränderungen gegeben hat: Das Verantwortungssystem ist an die Stelle des Systems der Volkskommunen getreten. Daran kann man erkennen, welche wichtigen Auswirkungen das jeweilige System haben kann!
    Der indische Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften Amartya Sen [2]   schreibt:
    »Wenn man auf die schreckliche Geschichte des Hungers in der Welt zurückblickt, so ist es dazu niemals in Staaten gekommen, die unabhängig, demokratisch und mit einer relativen Pressefreiheit ausgestattet waren. Welches Land wir uns auch anschauen, ob den neuesten Hunger in Äthiopien und Somalia oder den Hunger in anderen diktatorisch regierten Ländern, ob den Hunger in der Sowjetunion der 30er Jahre oder den Hunger infolge des Scheiterns des Großen Sprungs in China zwischen 1958 und 1962, oder noch etwas früher den Hunger in Irland und in Indien unter der Fremdherrschaft – wir finden keine Ausnahme von der Regel. Zwar ist es China wirtschaftlich in vielerlei Hinsicht besser gegangen als Indien, aber China hat immer wieder Hunger in großem Umfang produziert (was in Indien nie der Fall war). Die Hungersnot Ende der 50er Jahre ist die größte Hungersnot, die in der Weltgeschichte jemals verzeichnet wurde, von 1958 bis 1962 verhungerten über 30 Millionen Menschen, doch die falsche Politik, die zu dieser Hungersnot geführt hat, ist in diesen drei Jahren unverändert beibehalten worden. Ja, die Politik, die das Volk in den Hungertod trieb, ist nicht einmal Gegenstand der Kritik gewesen, weil es in den Parlamenten keine Opposition, weil es keine freie Presse und weil es keine freien Wahlen in einem Mehrparteiensystem gab. Es ist in der Tat so, dass das Fehlen einer Herausforderung der herrschenden Partei erst zu einer derart katastrophalen Politik geführt hat und trotz des Todes von Millionen Menschen nicht verändert werden konnte.« [8]  

    In der Tat war der wesentliche Grund für die Millionen Hungertoten in China das totalitäre System. Natürlich behaupte ich nicht, dass totalitäre Systeme notwendigerweise derart viele Tote verursachen müssen, aber ich behaupte, dass totalitäre Systeme am leichtesten gewaltige politische Fehler machen, und wenn sie einmal einen solch gewaltigen Fehler gemacht haben, ist er nur noch schwer zu korrigieren. Noch wichtiger ist es, dass in solchen Systemen die Regierung sämtliche Produktions- und Lebensressourcen monopolisiert, und dass, wenn es zu einer Katastrophe kommt, die breite Masse nicht in der Lage ist, sich selbst zu helfen, die Leute können nur dasitzen und warten, bis sie verrecken.
    Die Volksrepublik China hat in Politik und Ideologie eine vollständige Diktatur des Proletariats umgesetzt und alle Menschen mit abweichenden politischen Ansichten brutal unterdrückt; in der Wirtschaft wurde eine hochgradig kollektivierte Form der Planwirtschaft eingeführt, die Regierung hat sämtliche wirtschaftlichen Ressourcen monopolisiert; ideologisch wurde eine strenge Monopolisierung der öffentlichen Meinung und des Denkens durchgesetzt, abweichende Meinungen konnten nicht geäußert werden. Dieses

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