Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)
Mangold abgerissen und gegessen. Der Brigadeleiter hat der vierköpfigen Familie nicht nur die Rationen für zwei Tage abgezogen, sondern Mai Zimin auch noch gefesselt und öffentlich an den Pranger gestellt.
Der Parteizellensekretär des Verwaltungsbezirks Jiege der Volkskommune Bishan hat bei den Kommunemitgliedern zu Hause Razzien durchgeführt, ihnen Geldbußen auferlegt, ihnen Getreide und Mahlzeiten abgezogen. Einmal ließ er ein acht Jahre altes Kind 120 Pfund Kohlen schleppen, und da das Kind nicht genug geschafft hatte, zog er ihm das von den Mahlzeiten ab. Ähnlich erging es 70 Prozent der Kommunemitglieder im Bezirk.
Auf dem Rückweg von Bishan nach Yongchuan haben Liu Wenzhen und die anderen drei Kommunemitglieder mit Bambuskörben an ihren Tragestangen gesehen, von denen einige klirrten und klapperten. Sie ließen anhalten und fragten nach: Das weibliche Kommunemitglied hieß Zhou Jingming, sie gehörte zur Volkskommune Mafang. Ihr Mann war krank und hatte nichts zu essen, also ist sie zu einem Küchenangestellten hin und hat etwas zu essen verlangt. Der hat ihr zugesagt, sie könne sich selbst ein bisschen Rettich ziehen. Als sie das tat, wurde sie vom Leiter der Arbeitsgruppe entdeckt, der sie des Diebstahls beschuldigte. Sie gab den ganzen Rettich zurück und bekam dazu noch ein Bußgeld von 37 Yuan. Das entsprach mehr als dem Monatsgehalt eines Wissenschaftskaders. Ihr Mann war jetzt nicht nur hungrig, er regte sich auch auf – und starb. Sie konnte das Bußgeld nicht aufbringen, also hat sie mit ihren kleinen Kindern das Kommunemitglied Ding Shulin aus Yongchuan geheiratet. Ding Shulin hat den Arbeitsgruppenleiter zu ein bisschen Reis eingeladen, den er sich selbst vom Mund abgespart hatte, und ihn gebeten, vom Bußgeld abzusehen. Doch der bestand darauf, schätzte ein paar Möbel von der Familie der Braut auf 18 Yuan und würde sie erst aus Mafang gehen lassen, wenn sie auch die restlichen 19 Yuan beglichen haben würden. Liu Wenzhen hätte nie gedacht, dass ein Arbeitsgruppenleiter so despotisch zu den Bauern sein könnte. [226]
Die Bauern, die in den Volkskommunen und von den Küchen der Volkskommunen lebten, wurden in allen Belangen der Produktion und des Lebens von den Kadern kontrolliert. Auf der Basis eines solchen Systems kam es überall im Land zu haarsträubenden Übergriffen auf die Bauern, und das im großen Stil. Natürlich war solch eine Lage nicht im Gleichgewicht, mancherorts war es extrem schlimm, andernorts war es ein wenig besser. Wie die Lage war, entschied sich an der jeweiligen Qualität der ländlichen Kader. Aber grundsätzlich gesprochen, war der Bildungsstand der ländlichen Kader nirgends besonders hoch, dazu kam noch der immense Druck der Aufgaben, die ihnen von oben aufgebürdet wurden, alles Gründe, warum Übergriffe keine Seltenheit waren.
Mao Zedong hat das Grassieren solcher Grausamkeiten darauf zurückgeführt, dass die »demokratische Revolution nicht gründlich durchgeführt worden sei«, das heißt, er war der Auffassung, die Grausamkeiten seien der Guomindang und den Resten ihrer Macht zuzuschreiben. Während der Ausrichtung von Arbeitsstil und Volkskommunen waren die Kader, die sich solcher illegaler und grausamer Verstöße gegen die Disziplin schuldig gemacht hatten, bereits streng gemaßregelt worden und ein großer Teil von ihnen hatte seinen Posten verloren – wie etwa in der Volkskommune Hezhun im Kreis Xinfan, wo 66 Prozent der Kader entlassen und »in die Wüste geschickt« wurden. Aber da diese Massenentlassungen die Basisarbeit in Mitleidenschaft zogen, sind die Strafen für diese Kader nach 1962 wieder rückgängig gemacht worden.
Eine rettende Unterströmung
Gegen das von Li Jingquan propagierte Erhöhen der Vergesellschaftung und Festhalten an den Volksküchen gab es an der Basis in Sichuan auch eine Unterströmung, die für die Verteilung der Felder an die Haushalte, eine Erhöhung der Privatparzellen und eine Auflösung der Volksküchen eintrat. Und es war in der Tat diese Unterströmung, die enorm zur Verringerung des Sterbens beitrug, aber sie wurde damals auch grausam unterdrückt.
Am 4. August 1959 heißt es in einem Bericht des Provinzkomitees, in einigen kleinen Produktionsteams der Volkskommune Tiantang betreibe man bei den Süßkartoffeln »eine Festlegung der Produktionsquote nach Haushalten und berechne den Verdienst nach Leistung«. Die Leute, die das unterstützten, seien der Auffassung, derlei Maßnahmen
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