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Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Titel: Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yang Jisheng
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Kreisleiter), hat er die Frau in Fesseln zum Amt für Öffentliche Sicherheit bringen lassen und behauptet, sie habe den Sozialismus zerstört.« [282]  
    Gegen diese Erscheinungen hat Kreiskomiteesekretär Zhao Yushu nicht nur keine wirksamen Maßnahmen ergriffen, er hatte auch noch Angst, dass diese Wahrheit ans Licht der Öffentlichkeit kommen könnte, also hat er das jeweils als »Fall politischer Zerstörung« ausgegeben und das Amt für Öffentliche Sicherheit zu heimlichen Verhaftungen veranlasst. Wer in der Haft starb, wurde vergessen, es wurde kein Wort über ihn verloren und die Spuren wurden verwischt. Kreisweit wurden 63 Personen heimlich verhaftet; in der Haft starben 33. [283]  
    Dennoch, in den ländlichen Gebieten Chinas gehörte es zur Tradition, dass man Menschenfleisch nicht essen durfte, weshalb es nur vereinzelt zu solchen Erscheinungen kam. Die Mehrzahl der Menschen wäre und ist lieber gestorben, als zum Kannibalen zu werden.
    Die Bauern verhungerten offensichtlich und doch durfte man nicht sagen, dass sie am Hunger starben. Zhao Yushu und Dong Anchun, beide aus der Kreisführung, kamen zur Produktionsbrigade Kaocheng, um zu untersuchen, wie es mit der Wassersucht stand, und fragten den Arzt Wang Shanliang: »Warum werden wir dieser Wassersucht nicht Herr, fehlen irgendwelche Medikamente?«
    Doktor Wang antwortete: »Es fehlt an Nahrung!«
    Zhao und Dong beschlossen auf der Stelle, den Doktor einer Kampfkritik zu unterziehen und dann zu verhaften. [284]  
    Die Kader auf allen Ebenen verheimlichten nach oben und nach außen die wahre Lage. Am 2. Juli 1960 kam ein Brief vom Büro des Gebietskomitees von Bengbu, den der Parteikomiteesekretär der Volkskommune Yinjian (andere Quellen sprechen davon, er sei stellvertretender Leiter des Sekretariats des Kreiskomitees von Fengyang gewesen) Zhang Shaobai unter dem Pseudonym Shi Qiuming an Mao Zedong geschrieben hatte. In diesem Brief hieß es: »Meines Wissens ist das Bevölkerungssterben in vier Gemeinden von drei Volkskommunen extrem schrecklich. In einer sind 5 Prozent gestorben, in einer zehn, in einer über 20 […] in manchen Ortschaften gibt es fast keine Menschen mehr. Ich habe mit eigenen Augen vier-, fünfhundert kleine Kinder gesehen, die von Erwachsenen ausgesetzt worden sind; davon sind etwa einhundert gestorben.« Erst später hat man erfahren, dass noch viel mehr Menschen gestorben waren, als hier angegeben, aber der Brief wurde vom Amt für Öffentliche Sicherheit als »reaktionäre Zuschrift« eingestuft und Zhang Shaobai wurde brutal verfolgt.
    Im Frühjahr 1960 hörte der stellvertretende Bürgermeister von Bengbu-Stadt, Ma Qian, dass in seinem Heimatdorf (in der Produktionsbrigade Xinsi der Volkskommune Xiaoxihe) die Masse der Menschen abwandert und stirbt, und hat sofort 10000 Pfund Bohnenkleie als Unterstützung von der Stadt Bengbu nach Linhaiguan schaffen lassen und sein Heimatdorf unterrichtet, dass Hilfe im Anmarsch sei. Am Ende traf das auf den Widerstand des Hauptzellensekretärs Yang Yunchung und des stellvertretenden Kreisleiters Miao Jian. Außerdem hat Miao Jian in einem Brief an das Gebietskomitee Ma Qian als »rechtsideologisch belasteten Problemfall« angezeigt. [285]  
    1961 schreibt der Kreiskomiteesekretär von Fuyang Ma Weimin in einem Bericht:
»Was die Toten angeht, so sind wir alle grundsätzlich informiert; zu Beginn waren wir alle der Meinung, es handele sich um ganz individuelle Fälle. Wir haben nach oben keine Meldung gemacht, haben selbst nach Wegen gesucht, das Problem aus der Welt zu schaffen und basta. Nachher wurden die Toten immer mehr und das Problem wuchs sich aus. Wir haben den Kopf verloren und noch viel weniger den Mut aufgebracht, nach oben irgendetwas verlauten zu lassen. Die Toten waren zweifelsohne verhungert, aber gesagt haben wir, es sei Altersschwäche gewesen oder Krankheit, und nicht natürliche Todesfälle haben wir zu natürlichen Todesfällen erklärt. In einigen Gegenden war es den Angehörigen sogar nicht erlaubt, Trauer zu tragen und zu weinen, sie durften ihre Toten nicht begraben. Briefe, in denen die Lage geschildert wurde, wurden beschlagnahmt und die Absender angegriffen; manch ein Kader hat sich bekämpfen lassen müssen, weil er der Organisation die Situation wahrheitsgemäß geschildert hatte […] Aus Angst, einen Fehler zu machen, aus Angst vor Strafe, aus Angst, den Beamtenhut abnehmen zu müssen, hat niemand gewagt, die Wahrheit zu sagen; und je weniger man

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