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Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Titel: Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yang Jisheng
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Krankheiten und ihrem Sterben gegenüber taub. 1960 gab es von diesen gut 30 Leutchen niemanden mehr, die Häuser waren abgerissen, die Bäume gefällt und die 80 Mu Land verödet.
    Die Basiskader in den ländlichen Gebieten gingen gegen die Bauern, die vor Hunger »Grünes«, also unreifen Weizen, »gegessen« hatten, mit Verhaftungen, Arrest und Umerziehungslagern vor, nicht wenige von ihnen starben im Gefängnis. In den einzelnen Gebieten wurde den verheirateten Frauen das Tragen von Hosen verboten, weil man im Hosenlatz Korngrannen verstecken konnte. Man hängte die Menschen an den Haaren an irgendwelche Balken und durchbohrte ihnen die Ohren mit Eisendraht.
    Entsetzlicher Kannibalismus [329]  
    Liang Zhiyuan hat in seinem eigenen Werk eine große Zahl dieser entsetzlichen Fälle von Kannibalismus aufgelistet, »deren flächenmäßige und zeitliche Ausdehnung und Anzahl in der Tat ihresgleichen sucht. Nach dem, was ich selbst in drei Jahren und über Millionen von Schriftzeichen hinweg untersucht habe und was mir zu Ohren und Augen gekommen ist, gibt es absolut keine Volkskommune, in der es nicht zu Fällen von Kannibalismus gekommen ist, in manchen Produktionsbrigaden ist nicht eine einzige Ortschaft verschont geblieben.«
    Der Kannibalismus erreichte im April 1960 seinen traurigen Höhepunkt. Manchmal wurden neben der Straße Leichen beerdigt, die über Nacht verschwanden. In einigen Gegenden hat man, wenn in einer Bauernfamilie jemand gestorben war, die Gräber über viele Nächte hin bewacht, damit sie nicht geöffnet und die Leichen verzehrt würden; erst wenn die Leichen anfingen zu verfaulen und zu stinken, hob man die Nachtwachen auf. Mancherorts wurden die Toten anderer Familien, mancherorts haben die Familien ihre eigenen Toten verzehrt; manchmal wurde das Fleisch der Toten gekocht, manchmal aß man es roh; es wurden Leichen verzehrt und es wurden Menschen ermordet, um sie dann zu essen; es kam auch vor, dass das Fleisch auf Märkten verkauft wurde (dann meistens gekocht). An den Metzgerständen wurde nicht selten Menschen- als Schweinefleisch verkauft. Unter denen, die Menschenfleisch aßen, sind etwa 40 Prozent an anschließenden Durchfällen gestorben; die wenigen, die Menschenfleisch ohne Folgen zu sich nahmen, haben unter anderem vor allem das magere Fleisch gegessen, es mit Gemüse gemischt, es auf viele kleinere Mahlzeiten verteilt und es gepökelt.
    Angesichts dieser Vorkommnisse hat das Amt für Politik und Recht des Kreiskomitees auch eine Reihe von Strafmaßnahmen ergriffen. Zunächst hieß das »Leichenschändung«, später hat man es auf Anordnung von oben umbenannt in »spezielle Fälle«. Dieser erst strenge und dann milde Umgang mit dem Problem ist später im Sande verlaufen. Über diese Fälle ist kein einziges Wort nach außen gedrungen. Und wenn etwas durchsickerte, war es ein Desaster. Auch während der Kulturrevolution war jeder, der auf diese Vorkommnisse hinwies, Angriffen ausgesetzt. Deshalb wusste außerhalb darüber niemand Bescheid. Liang Zhiyuan allerdings legt eine Reihe von Fällen vor.
    Der erste vom Kreiskomitee selbst behandelte
»Fall von Leichenschändung«
    Im Frühjahr 1959 sind der Polizei von Huobei Wanderarbeiter in die Hände gefallen, die gemeinsam ein totes Kind kochten. Das Amt für Öffentliche Ordnung wusste seinerzeit nicht, wie es damit umgehen sollte, stufte das Ganze nachher als »Leichenschändung« ein und beschloss, die »Täter« zu inhaftieren. Das Gerichtsverfahren des Komitees für Politik und Recht des Kreiskomitees kam nach dem Verfahren zu der Auffassung, dass die »Täter« so abgezehrt gewesen seien, dass kein politisches Motiv vorliege. Daraufhin hat man, ohne eine Anweisung des Kreiskomitees einzuholen, zwei Brötchen an die Delinquenten ausgegeben, sie belehrt und entlassen. Als das Kreiskomitee das erfuhr, ließ es die »Täter« vom Amt für Öffentliche Sicherheit wieder einfangen und erneut ins Gefängnis stecken. Nach einem halben Monat kam das Gerichtsverfahren zu dem Schluss, die »Täter« hätten kein politisches Motiv gehabt, und das Kreiskomitee genehmigte ihre Freilassung. Der Leiter der mit diesem Fall befassten Polizeistation wurde 1959 während des Kampfes gegen rechte Tendenzen einer Kampfkritik unterzogen, verlor seine Ämter und wurde aus dem System der Öffentlichen Sicherheit versetzt, weil er gegen Dritte den Satz aus einem historischen Drama zitiert hatte:
»Der Mensch frisst den Menschen, Hunde fressen Hunde

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