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Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Titel: Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yang Jisheng
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und sämtliche gesellschaftlichen Organisationen ersetzt.
    Die Parteikomitees bildeten in den Volkskommunen das Führungszentrum. Jede Produktionsbrigade hatte eine Parteizelle, die Parteizellensekretäre in den Produktionsbrigaden wurden von den Parteikomitees der Volkskommunen eingesetzt, die Parteizellen in den Produktionsbrigaden setzten die Beschlüsse der Parteikomitees in den Volkskommunen um und ihre Sekretäre bestimmten jede Kleinigkeit in den Produktionsbrigaden. Da die Parteizellensekretäre in den Produktionsbrigaden oft für mehrere Legislaturperioden im Amt blieben, wurde ihre Macht immer größer, einige wurden zu regelrechten regionalen Kaisern.
    Die Beamtenschaft der Volkskommunen wuchs dramatisch an. Jede Volkskommune hatte 30 und mehr Kader, die Produktionsbrigaden hatten zehn, die Produktionsteams fünf. Auf diese Weise gab es in 52781 Volkskommunen mit 690000 Produktionsbrigaden und 4810000 Produktionsteams insgesamt über 60 Millionen Kader, das waren sieben Prozent der Gesamtbevölkerung der ländlichen Gebiete. Diese Beamten beanspruchten 10 bis 30 Prozent des Einkommens in den ländlichen Gebieten. Die Bauern sagten: »Früher haben ein paar Dörfer einen Schutzmann ernährt, heute ernährt ein Dorf einen ganzen Haufen von Schutzleuten«. [433]   Diese Beamten haben die Regierungsverordnungen des Zentralkomitees tief in das Leben der einzelnen Bauernhaushalte getragen; dass sie mit Messern, Pistolen und Knüppeln bewaffnet willkürlich in Häuser eindrangen, gehörte zum Alltag. Die Masse der Bauern war fast vollständig durch das Verwaltungssystem geknebelt, es gab nur noch Regierung und keine Gesellschaft mehr.
    Das »allgemeine Versorgungssystem« ersetzte die Verteilung nach Leistung, der »militärische Kommunismus« aus den Kriegszeiten wurde auf das alltägliche Wirtschaftsleben übertragen. Die Volkskommunen waren gerade erst eingerichtet, als flächendeckend ein Verteilungssystem eingeführt wurde, in dem sich allgemeines Verteilungssystem und Löhne miteinander verbanden. Theoretisch bestand das allgemeine Verteilungssystem aus drei Bereichen: einem allgemeinen Nahrungsmittelverteilungssystem, einem allgemeinen Verköstigungssystem und einem allgemeinen Verteilungssystem des grundlegenden Lebensbedarfs. Am weitesten verbreitet war das allgemeine Nahrungsmittelverteilungssystem mit seinem kostenlosen Essen. Außerdem wurde in einem Teil der Volkskommunen ein allgemeines Verteilungssystem der »sieben satt« bzw. der »zehn satt« eingeführt. »Sieben satt« bedeutete Reis satt, Kleidung satt, Nachwuchs satt, Wohnung satt, Ausbildung satt, ärztliche Versorgung satt und Hochzeit und Beerdigung satt; bei den »zehn satt« kamen noch Heizung, Friseur und Kino hinzu.
    Doch in der Praxis war die Regierung nicht in der Lage, in all diesen Bereichen für »Saturierung« zu sorgen. Auch wenn das allgemeine Versorgungssystem nur für kurze Zeit aufrechterhalten wurde, so hat es doch zu einer gewaltigen Verschwendung geführt, vor allem zu einer gewaltigen Verschwendung von Lebensmitteln. Das allgemeine Versorgungssystem bedeutete praktisch, dass die Beamten auf allen Ebenen die einfachen Leuten mit allem »versorgen« mussten, was sie zum Leben brauchten. Das hat nicht nur die Voraussetzungen geschaffen für die Kontrolle des Volkskommunevermögens durch die Kader, sondern auch die materielle Grundlage für die Kontrolle über die Lebensgrundlagen jedes einzelnen Kommunemitglieds. So konnten die Kader zum Beispiel willkürlich den Entzug von Essen als Strafe für ungehorsame Kommunemitglieder einsetzen.
    Das alltägliche Leben der Massen und die männlichen und weiblichen Arbeitskräfte wurden vollständig militärisch organisiert. Bei der großen Stahlaktion, bei den großen Wasserbauprojekten, bei den großen Landwirtschaftsprojekten wurde über Volksküchen und Kindergärten eine Lebensform zwangsweise durchgesetzt, in der die Produktionsteams die kleinste Einheit bildeten und deren letztes Ziel die Vernichtung der Familien war.
    Die Volkskommune Chaya-Berg in Henan hat insgesamt 27 Produktionskorps aufgestellt und ein Stahlkorps. Ein Produktionsteam war ein Korps, ein mittleres Produktionsteam war ein Bataillon, unterhalb der Bataillone wurden nach Dörfern und Aufgaben Kompanien, Züge und Gruppen aufgestellt. Damit sah das System folgendermaßen aus: Gehorsam gegenüber der Führung, Befolgen der Arbeitseinteilung; aktive Produktion, keine Verspätungen, kein vorzeitiger

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