Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Dienstschluss; Bewahrung des Volkseigentums, Einigkeit und gegenseitige Hilfe; die Interessen des Einzelnen haben sich nach den Interessen des Ganzen zu richten. Häufig wurde kapitalistisches Denken bekämpft; das Volkseigentum musste bewahrt werden, es hatten Einigkeit zu herrschen und gegenseitige Hilfe. Jeden Monat musste über 28 Tage gearbeitet werden, wer wegen irgendetwas einen Urlaubsantrag stellte, brauchte für einen halben Tag die Genehmigung des Zugführers, für einen ganzen Tag die des Kompaniechefs, für mehr als einen Tag musste er zum Bataillonskommandeur. Es galt die militärische Befehlskette. Es wurde gemeinsam aufgestanden, gemeinsam gegessen, gemeinsam ging es zur Arbeit, gemeinsam hatte man Dienstschluss, gemeinsam legte man sich schlafen. Die Häuser in den Dörfern wurden kasernenmäßig aufgeteilt, die Männer wohnten im Osten der »Kaserne«, die Frauen im Westen, die Alten mit den Kindern machten »Etappendienst«. Ein junges Ehepaar, das sich heimlich in der freien Natur traf, wurde aufgegriffen, auf einer Diskussionsversammlung des gesamten Korps gab der Mann mit gesenktem Kopf sein Vergehen zu und sie weinte sich die Augen aus dem Kopf. [434]  
    Die Dörfer wurden zwangsweise zusammengelegt, was dazu führte, dass die Macht der Verwaltung so allgegenwärtig war, dass sie noch bis in den hintersten Winkel auf der chinesischen Landkarte und die Diktatur des Proletariats bis in jede Familie und den Kopf und die Eingeweide jedes Einzelnen reichte.
    Die Anbetung der Macht und der Führerkult haben vorübergehend den Widerstand gegen die Ausbeutung der Bauern verringert. Aber dieser Widerstand wurde infolge der sukzessiven Verarmung und Versklavung der Bauern allmählich stärker, die Bauern haben sich mit allen möglichen Mitteln zur Wehr gesetzt. Daraufhin haben die Machthaber zum einen durch unentwegte politische Kampagnen die Kraft der Ideologie aufrechterhalten und andererseits über die Ausweitung des Klassenkampfes die Meinung Andersdenkender unterdrückt. Zu der gleichen Zeit, in der das Zentralkomitee der KPCh den Beschluss zur Errichtung der Volkskommunen herausgab, wurde mit Macht die »Kampagne für eine sozialistische und kommunistische Erziehung« lanciert, die in der Praxis eine großangelegte Säuberungsaktion gegen nicht-kommunistische Vorstellungen war. Die zwangsweisen Zusammenschlüsse gaben der Gesellschaft in den ländlichen Gebieten nach außen hin den Anschein von Ordnung, was die Machthaber in ihrer abergläubischen Vergötterung der Macht noch bestärkte und es ihnen noch unmöglicher machte, von Zwangsmaßnahmen Abschied zu nehmen.
    Das totalitäre System hatte es geschafft, bis in den hintersten Winkel der Dörfer und Gemeinden vorzudringen, und dort wurde es gestützt von einem Heer von Kadern. Die chinesischen Gemeinde- und Dorfkader sind allmählich aus der chinesischen Bodenreform erwachsen. Die Kollektivierung der Landwirtschaft wurde vor allem von den Aktivisten aus der Zeit der chinesischen Bodenreform vorangetrieben. Aber nicht jeder Kader aus der Zeit der Bodenreform konnte auch Gemeinde- und Dorfkader werden. Ein Gemeindekader aus Jiangsu erzählt: »Die Kader in den Gemeinden und Dörfern waren wie in einem Sieb. Wenn man es bewegte, fielen die, die nicht passten, durch.« Der Maßstab dafür, ob jemand »passte« oder ausgesiebt wurde, war »sein Gehorsam gegenüber der Partei«. Zu Zeiten der Kaiser galt auf dem Land der Satz: »Der Himmel ist hoch und der Kaiser weit.« Mit den Volkskommunen und mit den »parteigehorsamen« Kadern war die Stimme der Partei bis in die hintersten Winkel der Dörfer zu vernehmen, jeder Dorfbewohner wurde von der Partei kontrolliert. Die Kontrolle durch die Zentralmacht hatte ein nie geahntes Ausmaß erreicht.

Der Rückzug vom Kommunismus zum Sozialismus
    Die Kampagne zur Volkskommunisierung war mit dem Übergang zum Kommunismus verbunden. Damals lautete die Parole: »Der Kommunismus ist das Paradies, die Volkskommunen sind die Brücke dahin.« Wie es heißt, ist dieser Ausdruck zum ersten Mal von dem politischen Intriganten Kang Sheng aufgebracht worden.
    Mao Zedong war von den Volkskommunen fasziniert, das hatte mit einem Komplex aus seiner Jugend zu tun, der Lehre der Neu-Gemeindler mit dem Aufbau von Quasi-Kommunen nach dem Vorbild der Ideen von Tolstoi. Schon im Dezember 1919 hatte Mao Zedong geschrieben:
»Neue Familien, neue Schulen mit einer neuen Gesellschaft zu verbinden, das ist die grundlegende Idee.