Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)
Sozialismus und beim Übergang zum Kommunismus: »Der Übergang vom System des Kollektiveigentums zum System des Volkseigentums ist ein Prozess, der in einigen Gebieten vielleicht relativ schnell, in drei, vier Jahren, abgeschlossen werden kann; in anderen Gebieten wird es vielleicht etwas länger dauern und man wird fünf, sechs Jahre brauchen oder auch einen noch längeren Zeitraum.«
Der Beschluss verkündet am Ende voller Pathos: »Die Verwirklichung des Kommunismus in unserem Land liegt nicht mehr in ferner Zukunft, wir müssen aktiv die Form der Volkskommunen nutzen, um den konkreten Übergang zum Kommunismus zu ertasten.«
Von hier aus ging eine Welle von Volkskommunengründungen über das Land. Bis zum 29. September 1958 waren, von Tibet abgesehen, in 27 Provinzen und Selbstverwaltungsgebieten 23384 Volkskommunen entstanden. Die Gesamtzahl der in ihr erfassten Bauernhaushalte lag bei 90,4 Prozent, in zwölf Provinzen wurden sogar 100 Prozent erreicht. [430]
Nach diesem Bericht gab es in den ländlichen Gebieten bis Ende Oktober 26576 Volkskommunen, in denen 99,1 Prozent der Bauernhaushalte organisiert waren. [431] Später wurden diese dann noch einmal aufgeteilt in insgesamt 52781 Volkskommunen.
»Erstens groß, zweitens Kommune«, das war die Besonderheit der Volkskommunen.
Im Landesdurchschnitt bestand jede Volkskommune aus 5000 Haushalten, größere Dimensionen führten zu Chaos in der Verwaltung und den Zwangsanordnungen. In einigen Bergregionen waren die Volkskommunen größer dimensioniert und dort gab es auch vermehrt Probleme. So waren in den 553 Haushalten der Produktionsbrigade Yalu der Volkskommune Frieden im Kreis Pu’er in Yunnan sieben verschiedene Völkerschaften vertreten. Sie maß von Osten nach Westen 40 und von Norden nach Süden 30 Kilometer. Neben einer ganzen Reihe von vereinzelt liegenden Gehöften gab es 39 natürliche Dörfer mit kaum mehr als drei Haushalten. Zwischen den Produktionsteams lagen Distanzen von 5 bis 10 Kilometern, zwischen Ortschaften, die zu ein und demselben Produktionsteam gehörten, lagen bis zu 17,5 Kilometer. Nachdem man dieses große Produktionsteam 1958 zusammenlegte, eine einheitliche Verteilung durchführte und die Unterschiede zwischen arm und reich ausglich, war das Resultat ein Produktionsrückgang im darauffolgenden Jahr. Diese großdimensionierten Produktionsteams machten im Kreis Pu’er über die Hälfte aus. [432]
»Allgemein« wies auf das Eigentumssystem hin. Boden, Ackervieh, Ackergerät und entsprechende Produktionsmittel samt allen anderen gemeinsamen Vermögenswerten der landwirtschaftlichen Genossenschaften gingen ausnahmslos in den Besitz der Volkskommunen über, in denen auch alles abgerechnet wurde. Die ursprünglich von den Bauern bewirtschafteten Privatparzellen und der persönliche Besitz an Wald, Vieh etc. ging ebenfalls ausnahmslos in den Besitz der Volkskommunen über, die sogenannten Überbleibsel des Systems von Privatbesitz an Produktionsmitteln verschwanden völlig. Der Staat delegierte alle Bereiche der Volkswirtschaft wie Getreide, Handel, Finanzen und Banken in die Hände der Basisorganisationen der ländlichen Gebiete, die Volkskommunen, so dass das System des Kollektiveigentums um etliche Elemente des Volkseigentums bereichert wurde. Die Entwicklung dieses spezifischen Eigentumssystems der Volkskommunen zerstörte die »Überbleibsel des Systems von Privatbesitz an den Produktionsmitteln« und führte zu einem kollektiven »Allgemeinbesitz« an der individuellen Produktion.
Bei derartigen Dimensionen war es jedoch unabdingbar, dass es keinen Widerstand gab, also musste man diese hochgradige Konzentration mit den Mitteln der Macht durchsetzen. Was die Organisation der Wirtschaft anging: Angefangen von Produktionsplan, Einteilung der Arbeitskräfte, Material- und Produktverteilung bis hin zu was, wo und nach welchen Vorgaben angebaut wurde – alles wurde von den Volkskommunen entschieden, die Produktionsteams hatten lediglich die Aufgabe, die Arbeitskräfte zu organisieren und die Anweisungen von oben zu befolgen.
Als Verwaltungsorgane kümmerten sich die Volkskommunen u.a. um den Aufbau, die Finanzen, den Markt, die Zivilverwaltung, Bildung und Kultur, Gesundheit, öffentliche Sicherheit und Bewaffnung, alles war von ihr abhängig. Die Volkskommunen haben sämtliche Einkünfte unter die Kontrolle der Verwaltungsbeamten gestellt, die Verwaltungsorganisationen haben die Großfamilie, die Religion
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