Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)
weiter bepflanzt. [566]
Der für die Landwirtschaft zuständige stellvertretende Staatspräsident Tan Zhenlin sagte: »1959 liegt die bebaute Fläche um 17700 Mu unter der von 1958, das sind 10 Prozent weniger. Das ist ein Grund für den Produktionsrückgang 1959.« [567]
Nachdem Mao die Frage gestellt hatte: »Was macht ihr denn, wenn ihr zu viel Nahrungsmittel habt?«, eröffnete die Parteigruppe des Nahrungsmittelministeriums am 6. August eine Konferenz, auf der Maos Hinweis diskutiert wurde. Der Leiter der Konferenz sagte: »Der Vorsitzende hat gesagt […] was tun, wenn wir zu viel Nahrungsmittel haben? Für diesen Fall müssen wir die Nutzungsmöglichkeiten erforschen.«
Nach nervöser Diskussion hat die Parteigruppe der chinesischen Akademie der Wissenschaften die Aufgabe einer Erforschung der zusammengefassten Nutzung der Nahrungsmittel an sechs u.a. auf Biologie, Chemie und Pflanzenphysiologie spezialisierte Institute delegiert. Diese Institute stoppten viele wichtige Forschungsprojekte und zogen eine Menge wissenschaftliches Personal zusammen, um die Frage zu untersuchen. Es dauerte kein Jahr, bis auch die Wissenschaftler, die der Frage nachgingen, »was tun bei zu viel Lebensmitteln?«, sich vor Hunger nicht mehr auf den Beinen halten konnten. Daraufhin haben sie ihre Forschungen auf Nahrungsmittelersatzstoffe verlegt. [568]
Am 9. November 1960 machte die Parteigruppe der chinesischen Akademie der Wissenschaften beim Zentralkomitee der Partei und bei dem Vorsitzenden Mao eine Eingabe und unterbreitete »den Vorschlag zu einer großangelegten Herstellung von Nahrungsersatzmitteln.«
Brutal hohe Ankaufquoten
Die Legende von den Rekordernten hatte direkten Einfluss auf die großen Fress- und Saufgelage und die hohen Ankaufquoten. Zu den Gelagen kam es für eine kurze Zeit im Herbst 1958, aber auch sie waren ein Grund für die schwere Hungersnot 1959. In einigen Gebieten hat man »Satelliten im Verbrauch« gestartet. In den einzelnen Gebieten hat man »Dauergelage« abgehalten, wer immer vorbeikam, hat sich bedient.
Ich selbst ging damals in die Oberstufe, habe die Sommerferien mit Lernen verbracht und aushilfsweise Briefe ausgetragen; einmal bin ich dabei auf dem Weg vom Kreis Xishui zu dem Ort Ximazhen auf eine Gemeinschaftsküche gestoßen, wo es gerade Mittagessen gab – an den Wänden hingen rote Transparente, auf denen stand: »Essen ohne Geld«. Also habe auch ich versucht, in die Kantine zu kommen, und tatsächlich hat mir der zuständige Mann ohne weiteres eine große Schale in die Hand gedrückt, damit ich auch einmal in den Genuss eines guten, »kommunistischen« Essens kam. Die Kantine der Volkskommune bei mir zu Hause machte ein so reichhaltiges und gutes Essen, wie es die Bauern früher nicht einmal an Festtagen zu Gesicht bekommen hatten.
Aufgrund der Großprojekte in den Bereichen Eisen, Stahl und Wasserbau blieben für die Feldarbeit nur noch die Alten, die Frauen und die Kinder. Die reife Frucht vergammelte ungeerntet auf den Feldern. In vielen Gebieten wurde die Ernte erst sehr spät eingebracht, in der Regel wurden zehn Prozent vergeudet. In manchen Gegenden lag der Verlust bei Baumwolle, Erdnüssen und Süßkartoffeln bei 20 bis 30 Prozent. [569]
Ein lebensbedrohlicher Angriff auf die Bauern waren die hohen Ankaufquoten. Mit der für 1958 geschätzten Gesamtproduktion an Nahrungsmitteln von 850 Milliarden Pfund wurden auch die Ankaufquoten nach oben getragen. Im Produktionsjahr 1958/1959 (zwischen dem 1. Juli 1958 und dem 30. Juni 1959) lag die wirkliche Ankaufquote bei 111,335 Milliarden Pfund, das waren 19,514 Milliarden Pfund mehr als im Vorjahr, ein Anstieg von 21,25 Prozent. Für die wirkliche Produktionsmenge muss man 400 Milliarden Pfund rechnen, das waren 0,26 Prozent mehr als im Vorjahr. [570]
Die direkte Folge der hohen Ankaufquoten war, dass man den Bauern ihre privaten Vorräte abpresste. In der Provinz Fujian ist 1959 die Gesamtproduktion an Lebensmitteln im Vergleich zu 1957 um 12,2 Prozent zurückgegangen, während die bereinigte Ankaufquote (das ist die Ankaufquote minus Rückkauf) um 40,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr anstieg. Die Gesamtproduktion an Lebensmitteln lag 1960 um 1,145 Milliarden Pfund unter der von 1957, doch die bereinigte Ankaufquote stieg im Vergleich zu 1957 um 140 Millionen Pfund. Die bereinigte Ankaufquote machte 1957 16,8 Prozent der Gesamtproduktion an Lebensmitteln aus, sie stieg 1959 und 1960 auf
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