Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)
aus Gras (Zellulose) Fleisch aufbauen, doch die Verdauungsorgane des Menschen sind dazu nicht imstande. Kalkwasser ist alkalisch; auch Kalkwasser kann Zellulose nicht verdauen. Aus dem Verzehr mit Kalkwasser behandelten Reisstrohs kann der Mensch keine Nährstoffe gewinnen.
Der Verzehr von alten Knochen: In einigen Gebieten wurden Rinderknochen, die nach dem Verenden der Tiere mehrere Jahre außerhalb der Häuser verstreut gewesen waren, gesammelt, zermahlen und zu einer Suppe gekocht. Durch die jahrelange Verwitterung waren sämtliche Zellen in den Knochen aufgelöst, übrig blieben Kalzium und Phosphor, beides von keinerlei Nährwert.
Zum Hungertod führende pathologische Veränderungen der Organfunktionen
In der Medizin unterscheidet man zwischen dem »vollständigen Hunger« (bei dem dem Körper keinerlei Nahrung zugeführt wird), dem »nicht vollständigen Hunger« (die Gesamtenergie ist nicht ausreichend, die Nahrungsmittelelemente reichen nicht aus) und dem »partiellen Hunger« (der Energiebedarf wird gedeckt, aber es fehlen ein oder mehrere Elemente, die der Organismus braucht). [593] In den schlimmen Hungerjahren litt ein Teil der chinesischen Bauern zeitweise unter »vollständigem Hunger«, das ganze Land unter »nicht vollständigem Hunger«.
Wenn beim menschlichen Körper die Energiezufuhr den Bedarf nicht deckt, dann werden zunächst die »Zuckerreserven«, die im Körper eingelagert sind, zur Energiegewinnung aktiviert. Aber diese Zuckerreserven decken nicht einmal einen Tag lang den Bedarf an grundlegender Stoffwechselenergie. Nach der Verbrennung der im Körper eingelagerten Zuckerreserven wird in einem nächsten Schritt das körpereigene Fett verbrannt. Wenn der Körper für die Energiegewinnung vollständig auf sein eigenes Fett angewiesen ist, so hat das bestimmte Nebenwirkungen, wie die massenhafte Produktion sogenannter Ketonkörper, was zu einer Übersäuerung des Stoffwechsels führen kann.
Wenn die körpereigenen Fette verbraucht sind, beginnt die Auflösung der körpereigenen Proteine in den Organen und Muskeln. Die Muskeln magern ab, die inneren Organe schrumpfen. Der Herzmuskel schrumpft, dadurch sinkt die Menge des gepumpten Blutes, bis schließlich das Herz versagt und der Tod eintritt. Professor Wang Meisong hat mit der Gruppe von Ärzten, an deren Spitze er sich in die Hungergebiete von Hunan begeben hatte, in der Schule einer Volkskommune Wassersucht behandelt. Oft waren dort über 200 Personen stationär; die Kranken, die er dort beobachtete, sind in der Mehrzahl an Herzversagen gestorben.
Alle inneren Organe wie Nieren, Hypophyse, Schilddrüse und Keimdrüsen zeigten die typische Schrumpfung und Funktionsminderung. Die Schleimhäute des Verdauungstraktes schrumpften, so dass die Absorption von Nährstoffen im Darm abnahm.
Die Fortpflanzungsorgane schrumpften, aufgrund des Proteinmangels blieb die Gebärmutter junger Frauen in ihrer Entwicklung zurück, es kam zu dem sogenannten Mädchenuterus. Bei einer noch größeren Anzahl von Frauen verringerte sich die Menstruation bis hin zu ihrem vollständigen Ausbleiben. Da die Aufhängung der Gebärmutter schrumpfte, kam es zu Gebärmuttersenkungen.
Die Berichte der Parteigruppen der Frauenliga aus dem ganzen Land an das Zentralkomitee belegen, dass die Frauen in den ländlichen Gebieten verbreitet unter dem Ausbleiben der Menstruation und unter Gebärmuttervorfällen litten. [594] Professor Wang Meisong und seine Ärztegruppe haben bei ihren Untersuchungen in Hunan entdeckt, dass bei den Frauen im gebärfähigen Alter eines ganzen Kreises nur noch eine verschwindend kleine Minderheit ihre Monatsregel bekam. Und diese Frauen gehörten ausnahmslos zu Kaderfamilien, in denen es mehr zu essen gab. Bei Männern zwischen 20 und 40 schrumpften die Hoden und Nebenhoden und es wurde keine Samenflüssigkeit mehr produziert. Zu der großen Zahl der Hungertoten während der schlimmen Jahre kam ein extremer Niedrigstand der Geburtenrate.
Bei Nahrungsmittelmangel sind die ersten und auffälligsten Symptome eine energetische Proteinunterversorgung (Protein-Energie-Mangelsyndrom). Die körperlichen Aktivitäten können nicht weitergeführt werden, der Körper ist kraftlos, alle Funktionen werden heruntergefahren. Der Eiweißgehalt des Blutes sinkt, der osmotische Druck in den Blutplasmakolloiden sinkt, die Durchlässigkeit der Blutgefäße steigt, die Wasseranteile in den Blutgefäßen sickern in das Unterhautgewebe, was zu einer
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