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Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Titel: Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yang Jisheng
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wofür wir kämpfen.« [866]   Das ist genau das, was die Chinesen erlebt haben.
    Als Mao Zedong seine unantastbare Position bezogen hatte, hat er, durchweicht von der kulturellen Tradition des Monarchismus, im Rahmen der »Diktatur des Proletariats« eines Lenin und Stalin die von ihm in der Jugend propagierte Demokratie weit von sich gewiesen und sich selbst allen Ernstes für einen Kaiser gehalten. In Yan’an hat Mao seinen Russischdolmetscher Shi Zhe im Spaß gefragt: »Was ist der Unterschied zwischen einem Präsidenten und einem Kaiser?« Shi Zhe mit seiner Schulgelehrsamkeit hat ihm ein, zwei, drei Unterschiede aufgezählt und Mao fing laut an zu lachen: »Aber das ist doch dasselbe!« [867]  
    1950 feierte das neue China seinen ersten Tag der Arbeit. Als Mao Zedong über die Tagesparole entschied, schrieb er eigenhändig darüber: »Lang lebe der Vorsitzende Mao!« [868]   Dass er hier das früher dem Kaiser vorbehaltene »Lang lebe« verwandte, lässt erkennen, für wen Mao sich hielt.
    Mao Zedong ist in der bäuerlichen Gesellschaft Chinas aufgewachsen, er ist nicht in einem demokratischen Rechtsstaat westlicher Prägung erzogen worden. Er war fasziniert von den Bauernaufständen, die zum Sturz von Dynastien geführt haben. In seinen Augen regierten Kaiser das Reich wie Präsidenten, und da sie das Reich regierten, musste man sie mit »Wansui«-Rufen hochleben lassen. Der französische Schriftsteller und Philosoph André Malraux hat Richard Nixon gegenüber Mao mit folgenden Worten charakterisiert: »Einmal fragte ich ihn, ob er sich als Erbe der letzten großen Kaiser Chinas betrachte. Mao sagte, natürlich bin ich ihr Erbe.« [869]  
    Mao Zedong hat in seiner Generation unter Zuhilfenahme historischer Wendepunkte »wo vereint gehörte, was lange getrennt war« und »ein langanhaltendes Chaos beherrscht werden musste« auf dem Boden der Kultur der chinesischen Kaisermacht eine pyramidenförmige Machtstruktur errichtet. Die Kommunistische Partei Chinas, die Volksbefreiungsarmee, das hochzentralisierte System in Wirtschaft und Politik, die dynamische Gedankenkontrolle, die isomorphe Gesellschaftsstruktur, all das hat ineinandergegriffen, um eine extrem stabile, hochzentralisierte Machtpyramide zu errichten. Mao selbst stand an der Spitze dieser Pyramide und hielt das Zepter fest in der Hand – die Kontrollmacht von Armee und Partei verlieh ihm die unumschränkte politische und ideologische Autorität. Das Individuum in den Volksmassen konnte in diesem Machtgefüge nur alles dem einzigen Ziel des gesamten Staates opfern – dem Kommunismus.
    Die alten Kaiser konnten wie der französische König Louis XIV. sagen: »L’Etat, c’est moi!«, doch Mao Zedongs Macht war weitaus größer, er konnte sagen: »Die Gesellschaft bin ich!« Die verschiedenen Mao Zedong unterstellten Führungsorganisationen waren seine Untertanen, aber in seinem jeweils eigenen Führungsbereich spielte jeder Einzelne seine Autorität aus wie Mao Zedong. Sie waren jeder für sich kleine Kaiser. Jeder Beamte hatte zwei Gesichter: Nach oben war er Sklave, nach unten Tyrann.

Über allem die Kommunistische Partei
    Die hochzentralisierte wirtschaftliche und politische Macht Chinas lag in den Händen der Kommunistischen Partei. Jedes einzelne Parteimitglied musste an ein Ideal glauben – den Kommunismus und die Mao-Zedong-Ideen; sämtliche Parteimitglieder mussten einen einzigen Führer anerkennen – Mao Zedong. Aufgrund der Einparteienherrschaft der KPCh galt das nicht nur für ihre Parteimitglieder, man verlangte auch, dass das für das gesamte Volk gelte.
    Die KPCh ist nach dem Muster der Kommunistischen Partei der Sowjetunion aufgebaut. Innerhalb der Partei ist es nur sehr schwer möglich, abweichende Meinungen zu artikulieren. Diese »straff organisierten Parteien« werden sehr leicht zu Instrumenten, die nur noch die eigenmächtigen Entscheidungen der obersten Führungsriege ausführen. Die KPCh ist in den Städten auf allen Ebenen nach Abteilungen oder Einheiten aufgebaut und organisiert, in den ländlichen Gebieten nach Bezirken. Diese Organisation läuft parallel zur Organisation der verschiedenen Regierungs- und Verwaltungsebenen. Nominell ist die höchste Führungsinstitution der Partei die Nationale Vollversammlung ihrer Repräsentanten und das von ihr hervorgebrachte Zentralkomitee. In Wahrheit thront der Vorsitzende der Partei weit über der Vollversammlung. In allen wichtigen Fragen wie etwa der Ernennung von

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