Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)
erledigt werden, ohne die Leute zu verschrecken. Die Erledigung muss behutsam geschehen, sonst werden die Beschuldigten, vor allem die Genossen, die nur relativ leichte Fehler gemacht haben, in Panik geraten.« [51]
Die »Genossen, die nur leichte Fehler gemacht haben«, waren gewalttätige Schläger. Mao Zedong befürchtete, dass diese Leute und nicht die einfachen Menschen in Panik geraten könnten.
Ein paar alte Kader aus Xinyang erinnerten sich in Gesprächen mit dem Verfasser: »Wenn du nicht zugeschlagen hast, haben die anderen dich geschlagen. Je brutaler du zugeschlagen hast, umso mehr zeigte das, wie fest dein Standpunkt ist und wie treu du zur Kommunistischen Partei stehst. Wenn du nicht zugeschlagen hast, warst du ein rechtes Element und dann sind sie sofort auf dich losgegangen.«
Die Parteikomitees sämtlicher Ebenen vertuschen mit aller Macht das wahre Ausmaß der Katastrophe
Die Bauern litten Hunger, zudem wurde über die betroffenen Gebiete eine Nachrichtensperre verhängt, man durfte keine Briefe nach draußen schreiben, sämtliche Postämter wurden vom Amt für Öffentliche Sicherheit, also von der Polizei, überwacht. Das kommunistische Gebietskomitee von Xinyang hat veranlasst, dass die Postämter über 12000 Briefe, in denen draußen um Hilfe gebeten wurde, einbehalten wurden. Von den 23 Parteimitgliedern einer Parteizelle sind 20 verhungert, die restlichen drei haben einen Blutbrief an das Provinzkomitee von Henan geschickt, in dem sie es anflehen, die Bauern in ihrem Dorf zu retten. Dieser Brief wurde vom Sekretariatsleiter des Provinzkomitees unterdrückt und es erging der Befehl, die Sache zu untersuchen. Ein Bauer aus dem Kreis Guangshan kam zum Arzt, der sagte, er habe eine Krankheit, die leicht zu heilen sei, zwei Schalen Reisbrei und er sei wieder gesund – Resultat: Der Arzt wurde verhaftet und den Behörden übergeben. [52]
Um die Abwanderung der hungernden Bevölkerung und das Durchsickern von Nachrichten zu verhindern, haben die ständigen Ausschüsse sämtlicher Kreiskomitees die Arbeiten aufgeteilt, einzeln zugewiesen und hartnäckig verteidigt. Die vier Tore der Kreisstädte wurden von bewaffneten Kräften bewacht, auf den Landstraßen und öffentlichen Verkehrswegen wurden Sperren errichtet, die man passieren musste, entlang der Kreisgrenzen wurden Patrouillen losgeschickt, die Busbahnhöfe wurden von der Polizei überwacht, Überlandbusse mussten von Parteimitgliedern und Brigadeleitern gefahren werden. Jede Volkskommune hatte entsprechend den Anforderungen des Kreises Milizen auszusenden, um die Dorfeingänge zu blockieren. Und wenn doch jemand entdeckt wurde, der durchgeschlüpft war, dann wurde ihm alles abgenommen, was er bei sich trug, selbst die Kleider hat man ihm ausgezogen und ihn ausgepeitscht. Xinyang selbst liegt in der Nähe der Eisenbahnstrecke, im Norden und Süden gibt es jeweils einen Bahnhof. Die beiden für die Eisenbahn zuständigen Abteilungsleiter im Amt für Öffentliche Sicherheit hatten jeweils in den Bahnhöfen ein Auge darauf, dass die Bauern nichts anderes tun konnten, als zu Hause auf den Tod zu warten.
Die Mitglieder von Volkskommunen, die entkommen waren, wurden durch die Bank als »flüchtige Verbrecher« bezeichnet, sie wurden zwangsweise interniert, inhaftiert und in Lager zur Umerziehung durch Arbeit gesteckt. Xinyang-Stadt hat Hunderte von solchen Internierungsstationen aufgebaut, in die über die Zeit hinweg insgesamt 190000 solcher Flüchtlinge gepfercht waren, die zudem nach ihrer Zwangsinternierung nichts zu essen bekamen, hungerten, geschlagen und misshandelt wurden, so dass eine große Zahl der Internierten starb.
Die Kader der Produktionsbrigade Yangzhai von der Volkskommune Guangshan organisierten zehn Basiskader und Volksmilizen, um die flüchtenden Massen abzufangen. Von November 1959 bis ins Frühjahr 1960 hinein wurden über 40 Kommunemitglieder zusammengeschlagen, zwölf von ihnen starben, 195 Personen wurden die Kleider weggenommen.
Im Kreis Huangchuan wurden 67 solcher Internierungslager aufgebaut. Die hierhin verfrachteten Flüchtlinge hatten drei Hürden zu nehmen: 1. die Verhöre, 2. die Untersuchungen und 3. die Prügel; danach kam die Zwangsarbeit ohne Verpflegung. In diesen 67 Auffanglagern waren insgesamt 9330 Flüchtlinge untergebracht, davon wurden 2195 tot- oder zum Krüppel geschlagen. Ein Mann namens Li aus der Volkskommune Chengguan, der nur den Spitznamen »der Blinde« trug, erzählte, er habe
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