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Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Titel: Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yang Jisheng
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Huangchuan, überall an den Hängen und in den Straßengräben haben wir nicht beerdigte Leichen gesehen.
Als wir in Gushi ankamen, hieß es, es seien über 30000 Menschen umgekommen. Wir sahen ein gutes Dutzend Personen, die gefesselt durch die Straßen gezogen wurden. Man sagte uns, es handele sich um ›flüchtige Verbrecher‹; in Wahrheit waren es Bauern, die vor dem Hunger geflohen waren.
Als wir nach Shangcheng kamen, sahen wir, dass hier die Wasserbauarbeiten weitergeführt wurden. Der stellvertretende Kreiskomiteesekretär sagte uns, hier seien einige zehntausend Menschen umgekommen. Von Shancheng ging es in den Kreis Xin (der Kreis der Generäle). An der Straße sahen wir eine Frau reglos auf dem Boden liegen. Als wir ihr eine Hand an ihre Nase legten, atmete sie noch, also haben wir sie zur Volkskommune gebracht, damit die Kantine ihr etwas zu essen gab, sie überlebte.
In der Volkskommune Pohe im Kreis Guangshan sprachen wir mit Leuten, die an den Wasserbauarbeiten beteiligt waren. Sie erzählten uns, wie viele Menschen bei ihnen zu Hause gestorben waren und wie viele in der Volkskommune. Die Zahlen, die uns Ma Longshan, der Kreiskomiteesekretär von Guangshan, gegeben hatte, lagen zu niedrig. Auf dem Weg von Guangshan zurück nach Xinyang sahen wir einen 16, 17 Jahre alten Jungen tot am Straßenrand liegen. Die Leiche war über und über mit Schmeißfliegen bedeckt, es war heiß, die Leiche roch.
Wir suchten den Gebietskomiteesekretär von Xinyang, einen Mann namens Lu Xianwen, auf, in der Hoffnung, er werde verstärkt Maßnahmen gegen die Katastrophe ergreifen. Ich fragte ihn: ›Dass so viele Menschen den Tod gefunden haben, ist das auf Sabotage zurückzuführen?‹
Lu Xianwen antwortete: ›Das kann nicht sein.‹ Er sagte, die Ursache für die vielen Hungertoten sei Prahlerei und dann die Volksküchen. Wenn man den einfachen Leuten erlaubt hätte, wildes Gemüse auszugraben, wäre es nicht zu so vielen Toten gekommen. Kommissar Zhang Shubo brach in Tränen aus, als er mich sah. Als ich ihn nach der Zahl der Toten fragte, sprach er von vierhunderttausend. Das war auch die Zahl, die uns das Amt für Öffentliche Sicherheit gegeben hatte. Ich fürchtete, diese Zahl könnte nicht standhalten, und schickte zwei von uns zu einer Konferenz der Kontrollkomitees in die verschiedenen Kreise, um bei den Sekretären der Kontrollkomitees die wirklichen Zahlen zu eruieren (sie sprachen später von insgesamt 1,05 Millionen). Als wir Zhengzhou untersuchten, hieß es auch, in Xinyang seien 400000 Menschen ums Leben gekommen.
Damals war der Vorsitzende Mao auch in Zhengzhou. Ich dachte, wenn wir 400000 Tote haben, dann ist das das gravierendste Ereignis seit der Staatsgründung. Ich dachte daran, Mao Zedong aufzusuchen und ihm zu berichten. Ich habe hin und her überlegt und bin dann doch nicht zu ihm gegangen. Ich habe an einem Empfang Mao Zedongs für die Provinzkader teilgenommen.
Wu Zhipu hat den Landwirtschaftssekretär zu einem Gespräch zu mir geschickt. Ich sagte, an den Straßen liegen immer noch Tote herum. Man muss die Anstrengungen gegen die Katastrophe verstärken und dafür die Wasserbauarbeiten zurückstellen.
Wir haben in Henan nicht nur das Gebiet von Xinyang untersucht, wir waren auch in anderen Gebieten. Als wir genug Grundlagen hatten, sind wir zurück nach Beijing und haben einen schriftlichen Bericht über die Ergebnisse unserer Untersuchung verfasst. Das ZK-Kontrollkomitee hatte dem ZK den Bericht noch nicht vorgelegt, als Tan Zhenlin schon kundtat, dass er mit dem Bericht nicht einverstanden sei. Er war Sekretariatssekretär der KP, er war stellvertretender Ministerpräsident und zuständig für die Landwirtschaft. Die Meinungen über unseren Bericht gingen auseinander, also konnten wir ihn nicht nach oben weiterleiten. Liu Lantao, der Leiter des ständigen Ausschusses des ZK-Kontrollkomitees, schickte unter anderen Yu Sang vom Amt für Öffentliche Sicherheit zu einer erneuten Untersuchung. Yu Sangs Untersuchung kam auf 600000 Tote. Diesmal schrieb er einen Bericht und schickte ihn an Liu Shaoqi. Liu Shaoqi ordnete an: ›Mobilisiert die Massen, um die Situation zu wenden.‹ Als Lius Anordnung Henan erreichte, hat das Provinzkomitee die Führungsriege von Xinyang abgelöst.
Im Oktober 1960 sind wir zum zweiten Mal nach Xinyang gekommen. Bei dieser Untersuchung kamen wir auf eine Zahl von einer Million Toten. Ich verschaffte mir einen Überblick über die Lage zwischen Xinyang und Xinxiang

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