Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi
sich ein Lächeln ins Gesicht.
Zackig rasselte Jeff Bridges ein paar Namen herunter, die aber links in Alfies Kopf ein- und im selben Moment rechts wieder austraten. Mosche, Mireille und die Herzoginwitwe. Das war’s für ihn. Manchmal waren Eselsbrücken eben stärker als die Realität. Und er würde sich ihre Namen schon deshalb nicht merken, weil er so schnell wie möglich von hier weg wollte.
„Wir lassen ihn jetzt am besten erstmal ‚ankommen‘. War alles ein bisschen viel für ihn. Die jungen Leute von heute sind ja nichts mehr gewöhnt. Zum Abendessen treffen wir uns dann wieder.“ Jeff Bridges schob Alfie in den Flur und eine knarzende Treppe hinauf.
Alfies Zimmer im zweiten Obergeschoss war klein, aber dafür dunkel. Das vorherrschende Material war Kiefernholz. Ein wenig vermittelte der Raum den Eindruck eines überdimensionierten Kiefernsarges. Das passte gut, denn Alfie hatte das deutliche Gefühl, sich einsargen zu können.
Diese Bruchbude taugte nicht zum Verkauf. Er wunderte sich, dass sie nicht schon längst von offizieller Seite geschlossen worden war. Seine Verwunderung gründete nicht auf den ungeputzten Fenstern, dem maroden Dach oder den fehlenden Geranien – wiewohl letztere das Niveau des gesamten Ortes drastisch senkten und er eigentlich erwartet hätte, dass die Dorfgemeinschaft mit Gewalt eine floristische Ausgestaltung der Außenfassade durchsetzte. Nein, seine Bedenken erwuchsen vornehmlich aus der Tatsache, dass sie auf dem Weg durch das Haus einer Ratte begegnet waren.
„In Matzes altem Zimmer wohne schon seit Jahren ich, aber das hier ist ohnehin viel größer. Pack erstmal aus und mach dich frisch. Du findest mich dann unten in der Küche.“ Jeff Bridges nickte Alfie wohlwollend zu. „Ich sehe schon, das setzt dir ziemlich zu. Aber das ist nur die Überwältigung des ersten Eindrucks. Schlaf eine Nacht drüber – und die Welt sieht wieder rosig aus, versprochen! Nachher gibt es einen Schlummertrunk, der hilft ebenfalls.“ Dann ging er.
Alfie sah sich um. Wenn er aus dem Fenster sah, blickte er direkt auf einen Nadelbaum, der eine Aussicht – außer auf Nadeln – nachhaltig unmöglich machte. Das Fenster ging allerdings ohnehin nicht zur Seeseite hinaus, sondern zum Nachbarhaus, das etwas versetzt weiter unterhalb am Hang lag und dessen Stufen anscheinend mit römischen Amphoren geschmückt waren. Verrückte Welt. Hier war alles, wirklich alles verrückt.
Als Alfie sich schwer auf das Bett plumpsen ließ, stob eine Staubwolke hoch. Alfie seufzte. Es roch nach Mottenkugeln. Und alten Menschen. Nein, das war kein Geburtsjahrgangsrassismus. Alte Menschen rochen nun einmal nach kaltem Rauch und Lavendelwasser und abgelaufenen Haltbarkeitsdaten. Das war ein Fakt des Lebens. Alfies Mutter war sehr früh gestorben, und er war bei seiner Großmutter und ihrem wöchentlichem Skatclub aufgewachsen. Mit alten Leuten kannte er sich aus.
Sein Kopf pochte. Es war wie ein Kater ohne Alkohol. Fast noch schlimmer als mit.
Ihm gehörte jetzt eine Pension voller Greise. Als er am Vormittag mit dem Zug Innsbruck erreicht hatte, war ihm auf der rechten Seite ein wuchtiges Gebäude mit einer Inschrift aufgefallen: Kaiser Franz Josef Jubiläums Greisenasyl – der Stadt Innsbruck gestiftet von einem Patrioten. Das hier war definitiv die Außenstelle des Asyls.
Dennoch hatte es keinen Zweck. Zurück konnte er vorerst nicht, wie ihm nach kurzem Grübeln klar wurde. Einer wie Schröpp vergab und vergaß nicht. Im Gegenteil, Schröpp würde ihn vermutlich grün und blau prügeln und ihn ganz bestimmt feuern. Ersparnisse hatte Alfie aber nicht, abgesehen von den wenigen, kostbaren Scheinen im Ukulele-Instrumentenkasten. Nein, er musste erst einmal hier bleiben und das Beste daraus machen.
Da sein Zimmer kein angeschlossenes Badezimmer hatte, dafür aber ein Waschbecken zwischen Kleiderschrank und Tür, spritzte er sich dort kaltes Wasser ins Gesicht, trocknete sich an der geblümten Bettwäsche ab, weil es kein Handtuch gab, drückte die schmalen Schultern nach hinten, holte tief Luft, seufzte, holte nochmals tief Luft und ging wieder nach unten.
Die Küche nahm fast das gesamte Erdgeschoss ein. Zur Seeseite hin lag jener Salon-Schrägstrich-Aufenthaltsraum mit Panoramafenster, in dem ihn die Alten vorhin empfangen hatten, der Rest war Küche. Sicher keine Küche, wie man sie sich in einem Hotel – und sei es noch so bescheiden – vorstellte. Es war sichtlich eine Wohn-Ess-Küche, die –
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