Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi

Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi

Titel: Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
Vom Netzwerk:
klettern, wann immer er allein sein Grundstück verlassen wollte.
    Hinter der Pforte zog sich ein schmaler, nicht befestigter Schlammpfad zwischen den Nadelbäumen hindurch zum ... Gebäude. Alfie mochte nicht länger von einem Schloss sprechen. Man musste Ross und Reiter beim Namen nennen.
    Jeff Bridges nahm Alfie den Einkaufstrolley ab und schulterte ihn. Dann lief er voraus, leichtfüßig wie eine Gämse, während Alfie auf der kurzen Strecke sein Lungenvolumen vollends ausschöpfte. Er schnaufte nicht mehr nur, er rasselte.
    Und dann stand er vor seinem ... Gebäude.
    Tja.
    Gut, es war relativ groß und hatte zur Seeseite zwei Türmchen, aber Schloss ging anders. Weiß auch. Es war auch nicht direkt schmutzigweiß oder grau. Mehr so wie eine Ado -Gardine mit Goldrand, in die sich der Gilb eingenistet hatte.
    Die vielen Blumenkästen mit üppig blühenden, bunten Geranien, die ihm beim Gang durch Seefeld aufgefallen waren, fehlten hier gänzlich. Hier war gar nichts bunt, wenn man von den zerfledderten, ausgebleichten tibetischen Gebetsfahnen absah, die aus dem obersten Fenster im linken Turm hingen – dem Zustand des Hauses nach zu schließen scheinbar unerhört von höheren Mächten.
    Sämtliche Fensterscheiben schrien förmlich danach, endlich wieder einmal mit einem seifigen Wischlappen in Kontakt zu kommen. Auf dem Dach fehlten ein paar Schindeln. Neben gähnenden Löchern, in die es hineinregnete, gab es notdürftig mit Plastikfolie abgedeckte Ritzen, in die bestimmt ebenfalls Regentropfen rannen, Tränen des Himmels.
    Auch Alfie hätte am liebsten geweint.
    Seine kurzzeitig gehegten Zukunftshoffnungen winkten ihm ein letztes Mal zu und verabschiedeten sich dann mit einem leisen Servus. Für dieses baufällige Gemäuer konnte man doch keine Gäste gewinnen! Nirgends. Und schon gar nicht in einem Ort, an dem es vor schmucken Pensionen, schicken Hotels und gemütlichen Ferienhäusern nur so wimmelte.
    Alfie blickte den schmalen Trampelpfad hinunter, den sie vom See hochgeschritten waren. „Da kommen die Gäste mit ihren Koffern doch gar nicht hoch“, staunte er. Schon Alfie war, sogar ohne Einkaufstrolley, hoffnungslos im Schlamm versackt.
    „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, gab Jeff Bridges, der zwar alt war, aber kein bisschen außer Puste, zurück. „Die kommen ja nur an, bei der Abreise werden sie getragen.“
    „Bei der Abreise werden sie getragen? Auf Händen?“ Alfie fielen spontan seine heiß geliebten Toga- und Sandalen-Historienfilme ein. Er sah Sitzsänften im alten Rom vor sich und nubische Sklaven, die sie trugen. Moment mal, sollte das künftig seine Aufgabe sein? Nubischer Sklave? „Die werden bei der Abreise getragen? Von mir?“
    Jeff Bridges schüttelte mitleidig den Kopf. „Die gute Fee, die bei deiner Geburt die Intelligenz verteilen sollte, war offensichtlich stattdessen Schuhe shoppen, oder? Nein, die werden nicht von uns getragen, sondern von dem Bestatter, der gerade Dienst hat. Aus Telfs, Zirl oder Inzing.“
    „Bestatter?“ Alfie verstand nur Bahnhof.
    „Sie verlassen uns mit den Füßen voran“, lieferte Jeff Bridges einen weiteren Hinweis, als würden sie eine Scharade spielen.
    „Im Liegen?“ Alfies Augenbrauen schossen nach oben. Er hatte einmal in einem Landgasthof gekellnert und kannte den Jargon. Die Hotelbranche hatte einen Ausdruck für diese Art von Horizontalabreise: kalter Auszug . „Die Gäste reisen im Sarg ab?“ Aber das kam doch sicherlich nur in ganz, ganz seltenen Fällen vor? Alle Jubeljahre?
    Jeff Bridges nickte bedächtig.
    Alfie sah ihn mit großen Augen an. „Hier sterben Gäste?“, flüsterte er mit derselben Stimme wie der kleine Junge in The Sixth Sense , der zu Bruce Willis sagt: Ich sehe tote Menschen.
    „Man kann nur hoffen, dass sie gestorben sind und nicht lebendig im Sarg liegen“, scherzte Jeff Bridges und lächelte breit. „Nur die Ruhe, Jungelchen, das hat schon alles seine Richtigkeit. Hier kommt man bewusst her um zu sterben. Wir sind gewissermaßen ein Elefantenfriedhof.“ Er klang stolz.
    Alfie schluckte. „Ein Sterbehotel?“
    „Na ja, die meisten Leute würden es Seniorenresidenz nennen, aber von mir aus, nenn es ruhig Sterbehotel.“ Er strich sich mit der Hand über den grauen Ziegenbart. „Vielleicht nicht gerade vor den Gästen.“
    „Ein Hospiz?“ Alfie war nachgerade entsetzt.
    „Großer Gott, Jungelchen, nein, wir haben hier keine Pflegefälle. Wir sind auch kein Sanatorium. Es ist einfach ein Ort, an

Weitere Kostenlose Bücher