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Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi

Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi

Titel: Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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ebenso offensichtlich – nicht regelmäßig Besuch von Hygienefachkräften erhielt. Auf der Arbeitsfläche der Küchentheke standen mehrere Tüten mit Apotheken-Logo. Zweifelsohne benötigten die Alten täglich kiloweise Pillen und Pülverchen, um den Motor am Laufen zu halten.
    Am Esstisch hatte seine nigelnagelneue, höchst private Sammlung von skurrilen Senioren bereits Platz genommen. Nur Mosche Dajan fehlte.
    „Für mich bitte Tee. Darjeeling. Erste Pflückung. Mit Milch. Warmer Milch!“, rief die Herzoginwitwe, kaum dass Alfie einen Fuß in die Küche gesetzt hatte.
    „Wie bitte?“ Alfie sah über seine Schulter nach hinten, als ob sich dort wie durch Zauberhand eine Küchenfee materialisiert hätte.
    „Oh bitte, heute ist ein Abend zum Feiern. Wir haben einen neuen Gastgeber. Lasst uns Champagner trinken!“, flötete Mireille Mathieu.
    „Von schlechtem Champagner bekomme ich Blähungen“, erklärte die Herzoginwitwe mit einer gewissen Finalität. Als ob Prickelwasser grundsätzlich und für alle Betroffenen die Gefahr erhöhten Methangas-Ausstoßes in sich barg und folglich in dieser Küche verboten sein sollte.
    „Hier muss irgendwo noch eine Flasche Weißwein sein.“ Jeff Bridges öffnete einen der drei riesigen Kühlschränke.
    Wie viele Vorräte horteten die Alten hier nur? Erwarteten sie das drohende Weltende und wollten sich in ihren letzten Minuten noch gut versorgt wissen? Aber im Grunde war Alfie das von seiner Großmutter gewöhnt – exzessive Vorratshaltung war erwiesenermaßen der psychologische Folgeschaden einer Hungerkindheit in den Nachkriegsjahren.
    Wobei ... stellte diese winzige Gruppe an Greisen wirklich schon die komplette Belegung der Seniorenresidenz dar? Das brachte doch nie und nimmer genügend Gewinn ein.
    „Hier, wusst ich’s doch, sogar ein Châteauneuf-du-Pape.“ Jeff Bridges zog eine Flasche heraus, die ziemlich altertümlich aussah, wenn auch nicht gerade voller Spinnweben. Außerdem war sie bereits entkorkt. Er schnüffelte hinein.
    Mireille warf einen Blick auf das Etikett und schnaubte. „Herrje, ein furchtbarer Jahrgang.“ Sie wandte sich mit affektiertem Grausen ab, streckte Jeff aber ihre Keramiktasse entgegen.
    „Die Gläser sind im Schrank da rechts, Jungelchen“, sagte Jeff zu Alfie. Der nahm aus dem Sammelsurium an Gläsern, die auf den ersten Blick als aus diversen Brauhäusern und anderen gastronomischen Betrieben entwendet erkennbar waren, wenn man den Aufdrucken glauben durfte, fünf Humpen und stellte sie auf den Esstisch. Andere Gläser gab es nicht.
    „Oder kommt sonst noch wer?“, erkundigte sich Alfie betont beiläufig. „Wer wohnt außer Ihnen noch hier im Haus?“
    „Wir sind hier alle per du, Süßer“, raunte Mireille. „Wenn du Sie zu mir sagst, komme ich mir gleich so alt vor.“ Wieder bekam er ihre Fingernägel zu spüren, dieses Mal am Unterarm. Wenn das so weiterging, würden bald große Teile seines Körpers mit halbmondförmigen Einkerbungen übersät sein. Hoffentlich nur die Bereiche oberhalb der Gürtellinie.
    Und außerdem war sie alt – Alfie schätzte sie auf mindestens Mitte 70, die Herzoginwitwe auf über 80. Mosche Dajan lag wohl irgendwo dazwischen. Nur Jeff Bridges schien alterslos, wie ein Mann in den besten Jahren, egal, welche Jahre das sein mochten.
    „Ludwig hütet das Bett. Nein, er ist kein Pflegefall“, stellte Jeff Bridges gleich klar, als auf Alfies Stirn angstvoll Altenpflegeheim in Braille erschien, „er liegt einfach nur gern den ganzen Tag im Bett. Wenn man sein Leben lang hart gearbeitet hat, ist diese Vorliebe doch nur allzu verständlich, oder nicht? Er ist ohnehin strikter Alkoholgegner. Und dann wohnt hier noch Selma, aber wenn man unserer Selma Alkohol gibt, rastet sie aus. Sie rastet auch ohne Alkohol hin und wieder aus. Deshalb schließen wir ihr Zimmer immer ab.“ Jeff schenkte reihum großzügig ein.
    „Soll ich den beiden vielleicht einen Saft aufs Zimmer bringen und mich vorstellen?“, schlug Alfie vor. Er war ja schließlich gut erzogen. Und Ungleichbehandlungen gingen ihm immer schon wider den Strich. Wenn sie hier unten tranken, sollten die da oben auch etwas abbekommen.
    „Ha!“, machte die Herzoginwitwe.
    Mireille kicherte.
    Jeff Bridges zog eine buschige Augenbraue nach oben. „Lass mal, Jungelchen. Ludwig hat gerade seine Pflege-Polin bei sich ...“
    „Pflege-Rumänin“, warf Mireille ein.
    „... jedenfalls will der sicher nicht gestört werden. Und um unsere Selma

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