Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi

keine Jungfrau mehr, aber er fühlte mit Cäcilie – kaum gelebt, schon wurde einem das Lebenslicht ausgeblasen.
    „Wird das heute noch was?“, zischelte die Herzoginwitwe in ihrem Bühnenflüstern.
    „Pst!“ Mireille legte den Finger auf die frisch nachgezogenen Lippen. „Du weckst ja die Toten auf!“ In ihrem hautengen, schwarzen Ganzkörperstrampler war sie in der Dunkelheit beinahe nicht auszumachen.
    „Ich werde mir hier noch den Tod holen!“, empörte sich die Herzoginwitwe.
    „Dann bist du doch gleich am richtigen Ort, was willst du?“ Mireille Mathieu lächelte und saugte an ihrer leeren Zigarettenspitze.
    „Jungelchen, mach hin!“, drängte Jeff Bridges.
    Alfie wollte sich sperren, wollte erst wissen, wessen Totenruhe er da stören sollte, ergab sich aber schließlich in sein Schicksal.
    Er stieß die Schaufel in die Erde. Die Erde stieß ihn zurück. Will heißen, er trieb die Schaufel circa ein Tausendstel von einem Millimeter ins Erdreich.
    „Mann, geht das schwer“, schnaufte Alfie nach dem dritten Versuch. Er brachte jedes Mal nur winzige Erdhäufchen auf die Schaufel. Auf diese Weise würde er noch in zwei Monaten gewissermaßen archäologische Ausgrabungen nachstellen. „Das ist bockelhart, wie betoniert“, keuchte er schwer.
    „Großer Gott, da kann ja kein Mensch zusehen“, meckerte Mandy. „Lass mich mal!“
    Sie riss ihm die Schaufel aus der Hand, stieß sie tief ins Erdreich und hub einen anständigen Haufen Erde heraus, den sie auf den Gehweg fallen ließ, um gleich darauf wieder wuchtig zuzustoßen.
    Von wegen das schwache Geschlecht. Die macht bestimmt Krafttraining, dachte Alfie. Und weil er in seiner Ehre getroffen war, dachte er noch: total unweiblich.
    Aber wie Mandy so im Mondlicht mit fließenden Bewegungen das Grab aushob, sah sie eigentlich ausgesprochen weiblich aus. Nach kurzer Zeit wurde ihr heiß; sie zog ihren Pulli aus und stand nur noch im BH und einem weißen Spitzenhemdchen vor ihnen. Ihre Pfirsichhaut glänzte im Mondlicht, kleine Schweißtropfen kullerten ihr ins Dekolletee. Ihr Hintern zeichnete sich unter der engen Hose prall und fest ab. Mosche hing die Zunge bis auf Kniehöhe, Alfie nicht. Komisch , dachte er. Ob ich schwul werde?
    Auch Jeff Bridges war anderweitig beschäftigt. Mit einem Nachtsichtgerät musterte er die Umgebung.
    Alfie las im Licht der Sturmlampe den Text auf dem schlichten Grabstein. Hier ruht in Frieden unser geliebter Großvater Alois „Loisl“ Killermann, 1. 4. 1912 – 4. 1. 2004. Wir vermissen dich .
    Alfie wollte eben fragen, ob das ein Verwandter von einem seiner Auftragsmörder war, als er Akkordschauflerin Mandy von unten aus dem Grab vernahm: „Kontakt!“
    Man hörte, wie sie mit der Schaufel auf etwas klopfte. Sie richtete sich auf und strich sich die Haare aus dem verschwitzten Gesicht.
    Alle versammelten sich um das Grab. Mosche Dajan beugte sich weit vor und murmelte: „Dass ich das noch erlebe!“
    Auch die Herzoginwitwe schien gerührt. „Wisst ihr noch ... bei der Beerdigung? Ich habe geheult wie ein Schlosshund.“
    „Das erinnere ich aber anders. Du hast den Priester zur Schnecke gemacht, weil er aus einer Neuübersetzung der Bibel zitiert hat und nicht aus der klassischen Version“, widersprach Mireille.
    „Ich pflege grundsätzlich innerlich zu weinen, das ist vornehmer, ich bin ja kein Proll!“, entgegnete die Herzoginwitwe eisig. „Man hat eben Stil oder man hat ihn nicht.“
    „Jungelchen, spring rein und hilf Mandy, den Opa hochzuhieven“, befahl Jeff Bridges.
    „Nee, ganz sicher nicht.“ Energisch schüttelte Alfie den Kopf. Grabschändung war das eine, aber Totenschändung? Ohne ihn! Er würde sich keinen Millimeter rühren, er würde ...
    Zack! Jeff Bridges schubste ihn ins Grab. Unsanft kam er auf dem schweren Holzsarg zu liegen.
    „Den Sarg kriegen wir hier ohne Flaschenzug nicht raus“, meinte Mandy. „Der ist zu schwer.“
    „Wir brauchen auch nur den Inhalt“, entgegnete Jeff Bridges. „An den Seiten befinden sich Laschen, die müsst ihr hochklappen, dann könnt ihr den Deckel abnehmen.“
    „Mir wird schlecht“, kündigte Alfie an.
    „Jungelchen, mach jetzt keine Sperenzien.“
    Wieder musste Alfie an die Leichen im Wildsee denken. Er, der er noch nie einen toten Menschen gesehen hatte. Und jetzt sollte er gewissermaßen den Sarg mit einem Großvater teilen? Er gab Würgegeräusche von sich.
    Mandy hatte inzwischen alle Laschen geöffnet. „Raus hier“, pflaumte sie Alfie