Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi
„Die werden doch sicher noch irgendwo da draußen auf uns lauern ...“
„Doch, klar“, räumte Jeff ein. „Aber es gilt das Motto: Die Tapferen mögen nicht ewig leben, aber die Vorsichtigen leben überhaupt nicht!“
12
Mitternacht in Mittenwald
Draußen heulte der Wind. Recht hatte er. Die Lage warja auch zum Heulen.
Sie hatten sich auf allen Vieren durch einen Geheimgang abgesetzt, der zu einer Klappe führte, die sie im Kräutergarten neben dem Komposthaufen ausspuckte. Beim Öffnen der Klappe hatte Alfie noch befürchtet, es könnten ihnen die Leichenteile entgegenfallen, die sie dort verbuddelt hatten, aber es bröckelte nur etwas Erde herunter. Im hellen Mondlicht erschien ein Kopf. Ein sehr kleiner Kopf.
„Yussef!“, rief Mosche beglückt, als ihnen die Ratte durch die offene Klappe entgegensah und grüßend die Barthaare vibrieren ließ. Yussef, dessen Köpfchen genau in der Mitte der Mondscheibe prangte, sah aus, als habe er einen Heiligenschein. Mosche verdrückte vor Wiedersehensfreude eine Träne. Yussef hielt sich emotional eher bedeckt.
„Die Luft scheint rein“, flüsterte Jeff Bridges, nachdem er sich aufmerksam umgesehen hatte. „Vermutlich liegen sie auf der anderen Seite vor der Haustür auf der Lauer.“
Dann sprinteten sie im Schutz der Dunkelheit gebückt durch die Nadelbäume zum Nachbarhaus und dort zur Garage. Was man so gebückt und sprinten nennen konnte, wenn man zwischen 70 und 80 Jahre alt war ...
Jeff Bridges hatte einen Schlüssel für die Garage, in der sich ein knallbunt bemalter VW-Bus befand. Gleich darauf brausten sie, mit ausgeschalteten Scheinwerfern und ohne dass ihnen jemand zu folgen schien, los.
„Wohin fahren wir?“, erkundigte sich Alfie, der vorn auf dem Beifahrersitz saß.
„Wir graben jetzt Opa aus!“ Jeff Bridges starrte konzentriert in die Nacht hinaus. Er hing ziemlich weit über dem Lenkrad. Ob er nachtblind war? Zumindest die Schilder mit der Höchstgeschwindigkeit schien er nicht zu sehen – sie brausten in einem Affenzahn in Richtung Grenze.
„Äh ... wir machen was?“, fragte Alfie, der glaubte, sich verhört zu haben.
„Wir graben Opa aus. Sind wir noch richtig?“ Da sie in diesem Moment an einem riesigen Schild mit der Aufschrift Mittenwald 10 km vorbeikamen, ging Alfie sehr davon aus, dass Jeff Bridges im Blindflug agierte. Alfie ruckelte an seinem Gurt, um zu sehen, ob der auch hielt, und klammerte sich dann mit beiden Händen an den Griff über der Tür.
„Hast du auch deine Autobrille auf?“, rief Mireille Mathieu von hinten.
Jeff Bridges brummte.
„Was macht das für einen Unterschied? Er hat doch ohnehin keinen Führerschein“, erklärte die Herzoginwitwe und prophezeite düster: „Wir sind alle dem Untergang geweiht.“
Alfie war die Sache mit dem Opa immer noch nicht ganz klar. „Wieso exhumieren wir mitten in der Nacht eine Leiche?“
Würde es eine Voodoo-Totenbeschwörung geben? Sollten Zombies den Kampf gegen Esterhuysens Mörderbande aufnehmen?
„Kleiner, quatsch nicht rum, sag mir lieber, ob wir noch richtig sind!“
Im Grunde konnte man sich auf der Strecke von Seefeld nach Mittenwald nicht verfahren, zumal sie gut ausgeschildert war – einfach die B177 hinunter, durch Gießenbach und Scharnitz über die Grenze nach Deutschland, und schon war man am Ziel.
„Ja“, sagte Alfie folglich, obwohl er völlig ortsfremd war. „Um nochmal auf diesen Opa zurückzukommen ...“
„Ich fürchte, ich sehe Scheinwerfer“, fiel Mosche Dajan ihm ins Wort.
Jeff Bridges trat aufs Gas.
Mit 200 Sachen fuhren sie in Mittenwald ein. Und die Probleme begannen.
„Weiß einer von euch noch, wo der Friedhof ist?“, rief Jeff Bridges über die Schulter nach hinten.
Keine Antwort.
„Hat dein Smartphone keine Google-Map-App?“, schlug Alfie vor.
„Der Akku ist leer.“
„Ich glaube, er war rechts von der Isar“, meinte die Herzoginwitwe. „Wir sollten auf der Bundesstraße bleiben.“
„Wie groß ist dieser Glaube auf einer Skala von eins bis hundert?“, fragte Mireille zuckersüß. „Ich bin mir nämlich sicher, wir müssen da vorn links in den Ort biegen.“
„Mädels, nicht streiten, wir machen einfach eine kleine Rundtour. Wie lange kann es schon dauern, in einem winzigen Weiler wie Mittenwald den örtlichen Friedhof zu finden?“ Jeff Bridges blieb auf der Bundesstraße. Was sich, im Nachhinein, als Fehler erwies, weil sie den Ort damit großzügig umfuhren.
Sie kehrten um, fuhren zurück,
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