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Graf Petöfy

Graf Petöfy

Titel: Graf Petöfy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Verlegenheit leid tat, setzte deshalb ohne weiteres hinzu: »Nun, laß nur, ich brauche deine Beichte nicht und will dir sagen, was es ist. Sieh, ich bin lange nicht so gescheit wie du, hab aber bessere Augen und sehe gleich, wie's steht und im Herzen aussieht. Auch in deinem. Und deshalb weiß ich, es kommt alles nur daher, weil du wieder Reputationsanfälle hast und einfach fürchtest, die ›Nichte‹ könnte dich über kurz oder lang in Verlegenheit bringen, die ›Nichte‹, die mir wie aus dem Gesicht geschnitten ist und an deren Nichtenschaft deshalb niemand glaubt.
    Sieh«, fuhr sie fort, »du bist ein so guter Kerl, daß ich dir nichts übelnehme, schon lange nicht. Empfindeleien sind ohnehin nicht meine Spezialität, und so begnüg ich mich denn in dieser dir Sorge machenden Lysinka-Sache mit dem geflügelten Wort: ›Es ist mein Kind, es bleibt mein Kind, ihr gebt mir nichts dazu‹, noch dazu klassisches Zitat. Und sogar vom alten Goethe, der immer recht hatte.«
    »Nicht immer.«
    »Aber doch in solchen Dingen. Er verstand sich zu gut darauf. Jedenfalls hab ich vor, mich nach diesem Spruche zu richten und Madame Belmonti noch eine Weile warten oder meinetwegen auch sich ängstigen zu lassen.«
    Franziska schwieg. Endlich sagte sie: »Verzeih, Phemi, daß ich davon sprach. Es war nicht recht. Aber ich dachte, man könne nicht gleichzeitig zwei Dinge wollen, die sich einander ausschließen. Es liegt dir selber an dem Umgange mit drüben und muß auch so sein, denn es ist eine herrliche Frau, diese alte Gräfin, ganz von jener Feinheit, Nachsicht und Milde, die, wie du mit Recht sagtest, immer nur bei den Frommen und Vornehmen zu finden ist. Aber man darf ihr umgekehrt auch nicht zuviel zumuten, und wenn wir wirklich einen auch nur oberflächlichen Verkehr mit ihr unterhalten wollen, so müssen doch Fragen ausgeschlossen sein, die, wenn sie wie zufällig in Gegenwart Graf Egons zur Sprache kämen, unzweifelhaft zu Verlegenheiten und hinterher zu Witzeleien und allerhand Medisance führen würden.«
    »Du bist ein Kindskopf«, lachte Phemi. »Lehre mich doch die vornehme Welt kennen. Ich stecke länger darin und will dir sagen, wie's liegt. Auch die Besten nehmen uns bloß so hin. Sie lassen sich's gefallen, daß wir ihnen die Zeit vertreiben, und sind auch wohl dankbar dafür, aber von unserer Tugend und Sitte zu hören ist ihnen nur langweilig. Denn sie glauben nicht daran, und weil sie nicht daran glauben, erscheint ihnen unser Tugendanspruch einfach prätentiös. Wir sollen nicht bloß tatsächlich anders sein wie sie, nein, sie wollen sich dieses Unterschiedes auch bewußt werden. Und so glaube mir denn, es wird ihnen gar nicht schwer, uns zu pardonnieren, aber uns zu respektieren ist ihnen lästig und unbequem. Du hast keine Vorstellung davon, in wie vielerlei Kleider sich der menschliche Hochmut steckt. Und auch die Gräfin drüben, sosehr ich sie verehre, wird schließlich keine Ausnahme machen... Aber sieh nur, wer ist denn der alte Herr, der sich drüben im Hotel eben über die Balkonbrüstung lehnt und hieher lorgnettiert, als kenn er uns? Ist das nicht...?«
    Und im selben Augenblick erkannten beide den alten Grafen und erwiderten seinen Gruß.
    Wirklich, er war es, und ehe sich beide Damen noch in ihren Verwunderungen und Mitteilungen erschöpft hatten, erschien er bereits in Person, um ihnen einen Morgenbesuch zu machen. Er war unbefangen, auch Franziska gegenüber, und lächelte nur, als Phemi genau so, wie sie damals Egon bestürmt hatte, halb in wirklicher und mehr noch in erkünstelter Neugier mit hundert Fragen auf ihn einzudringen begann. Es habe verlautet, wenn auch nur gerüchtweise, daß er den Sommer in Trouville zubringen werde; statt dessen habe, wie der Augenschein lehre, Wien oder doch Öslau gesiegt, woraus sie den Schluß ziehe, daß das entkaiserte Frankreich auch zugleich ein entzaubertes Frankreich für ihn gewesen sei.
    Der Graf in seiner Antwort schwankte zwischen Zugeben und Bestreiten und versteckte dabei den eigentlichen und wahren Grund seiner Rückkehr hinter allerlei Scheingründen, in deren übermütiger und etwas grotesker Ausmalung er sich gefiel. Es sei wirklich sein Plan gewesen, während der heißen Monate nach Trouville zu gehen, aber weil die Saison erst Mitte Juli beginne, habe er zu viel Zeit gehabt, sich in seiner Phantasie mit dem Badestrand und seinen Bildern zu beschäftigen, eine Beschäftigung, an der schließlich die ganze Reise gescheitert sei; was

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