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Graf Petöfy

Graf Petöfy

Titel: Graf Petöfy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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vielleicht auch in aller Aufrichtigkeit größer siehst, als sie sind. Sieh, ich habe lange den Eitelkeiten dieser Welt gelebt und dabei vieles nicht gesehen, was ich nicht sehen wollte. Wer aber sein Auge schließt, ist noch nicht blind. Ich weiß genau, was siebenzig Jahre bedeuten und daß sie der Zypresse näher stehen als der Rosenlaube. Der Sprosser im Fliederbusch hat für mich ausgeschlagen. Ich weiß das. Glaube mir, Judith. Und weil ich es weiß, so bitt ich dich aufrichtig, erspar es mir, mich in meinen alten Tagen noch auf irgendwelchem Liebesweg oder wohl gar in Erwartung ausstehender Zärtlichkeiten ertappen zu wollen. Laß dir sagen, wie's liegt. Ich habe das Einsamkeitsleben satt und habe vor allem auch die Mittel satt, die sonst dazu dienen mußten, dieser Einsamkeit Herr zu werden. Es ist mir klargeworden, daß man die Leere nicht mit Leerheiten ausfüllen oder gar heilen kann, und so steh ich denn vor einem neuen und nach einer sehr entgegengesetzten Seite hin liegenden Ausfüllversuche. Du hast es gut gehabt und hast unter Feßlers Assistenz dein Lebensmanna in der Kirche gefunden, und etwas von wirklicher Himmelsfreude hat dein irdisch Dasein durchleuchtet. Ich weiß wohl und weiß es alles Ernstes, daß dergleichen ein Glück ist; aber ich habe nicht das Talent dafür und muß mich mit etwas Irdischerem und Alltäglicherem behelfen. Jeder sucht das Glück auf seine Weise...«
    »Und findet es doch nur da, wo es wirklich liegt...«
    »Ich bitte dich, Judith, nicht das; nichts aus diesem Tone... Begreiflicherweise liegt es mir sehr fern, dich gerad in diesem Augenblicke herausfordern zu wollen, denn ich bedarf deiner Unterstützung, aber was du da für mich hast und mir hinwirfst, das sind Münzen, die der Bettler aufsucht, nicht ich. Es gibt nichts, das mich so nervös machte wie Gemeinplätze, darüber, um ihre Dürftigkeit zu verbergen, irgendein Segen mit irgendeinem Aplomb ausgesprochen wurde. Viel, viel mehr als derartig abständige Christlichkeiten bedeuten mir in diesem Augenblick ein paar heidnische Gottheiten dritten Ranges, kleine Göttinnen, in betreff deren ich nicht einmal weiß, ob sie mythologisch verbürgt und nicht vielleicht bloß Geschöpfe meiner eigenen Erfindung und Ernennung sind.«
    »Und die wären?«
    »Erst die Göttin der Zerstreuung, dann die der Beschwichtigung und Einlullung und endlich die der Plauderei. Das wären so drei, die meiner Not am meisten entsprechen und mir vielleicht aufhelfen würden. Glaube mir, Judith, ich sehne mich nach Rast und Ruhe seit Jahren schon, aber jedesmal, wenn ich sie zu haben vermeinte, summte mir eine Fliege durchs Zimmer und störte mich. Und sieh, diesen Störenfried meiner Ruhe, der in beständiger Metamorphose heute diese und morgen jene Gestalt annimmt, diese böse Fee möcht ich mir durch eine gute Fee verscheuchen, am liebsten aber wegplaudern lassen. Und das kann niemand besser als sie. Sie hat den guten Verstand der Norddeutschen und übt die Kunst der Erzählung und Causerie wie keine zweite. War es nicht gestern erst, als gingen wir mit ihr an dem Bollwerk entlang und sähen die Giebel und Mastspitzen und die hereinbrechende Flut! Und dazu welche Stimme! Mein Ohr horcht auf jedes Wort, das sie spricht, und du mußt dir's vorstellen, als hätt ich eine beständige Sehnsucht nach einer Melodie.«
    Die Gräfin lächelte. »Weißt du, wie du sprichst, Adam? Ganz nach Art eines Prinzen, der einen Vorleser oder, wenn's hoch kommt, einen Cellospieler sucht.«
    »Und doch such ich weder den einen noch den andern, und der Fehler in deinem Vergleiche, Judith, ist einfach der, daß du den tiefen und geheimnisvollen Unterschied übersiehst, der in dem Gegensatz der Geschlechter liegt. Auch für den noch, der mit Hülfe seiner Jahre mit dem kleinen, pausbackigen Gott und seinem Gefolge längst abgeschlossen hat. Ein klug schwatzender Vorleser, den ich herbeiklingle, wäre mir rundheraus ein Greuel, eine Gräfin Petöfy aber, die mir ein Romankapitel vorliest oder ein Chopinsches Notturno vorspielt, der küß ich die Hand.«
    »Und wie glaubst du nun, daß sich Franziska zu solchem Antrage stellen wird?«
    »Das sollst du von ihr erfahren. Eben deshalb mache ich dich zu meiner Vertrauten.«
    »Und wenn sie nun ja sagt, was glaubst du, daß daraus wird?«
    »Mein Glück.«
    »Erkauft durch das ihre. Denn junges Blut will junges Blut, und was sie dir bringt, ist ein Opfer.«
    »Ein Opfer? Wer verlangt das? Ich nicht. Du verkennst mich

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