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Graf Petöfy

Graf Petöfy

Titel: Graf Petöfy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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sicher, und was dir heut ein Nichts bedeutet, kann dir morgen eine Welt bedeuten. Schwankend ist alles, und fest allein ist Gottes Gebot. Auch das ungesprochene, das still und stumm in der Natur der Dinge liegt. Ich beschwöre dich, Bruder, überleg es. Es leitet mich nur die Liebe zu dir.«
    »Und der alte Erziehungshang.«
    »Ein Wort, aus dem ich sehe, daß es zu spät ist und daß du's unabänderlich willst. Und so werd ich denn das Gespräch mit Franziska haben. Aber nicht hier; erst wenn wir alle wieder in Wien sind.«
    Er war es zufrieden, nahm Hut und Stock und verließ das Zimmer, indem er ihr zerstreut einige Worte des Dankes sagte.
    Sie sah ihm nach und griff in ihrer Angst und Unruhe nach einem Andachtsbuch, um darin zu lesen. Aber es wollte nicht gelingen.
    »In welche Lagen uns doch das Leben führt! Ich eine Freiwerberin. Und in einer Sache, die mich betrübt und erschreckt!«
     
Elftes Kapitel
     
    Eine Woche später hatte man sich wieder in dem alten Petöfyschen Palais eingerichtet, und schon den Tag darauf empfing der Graf durch Andras, der den Verkehr zwischen den beiden Flügeln unterhielt, einige Zeilen, in denen ihm Judith in aller Kürze mitteilte, daß sie Franziska gesprochen habe. Dieselbe sei dem Anschein nach nicht allzu sehr überrascht oder doch wenigstens vollkommen ruhig gewesen und erwarte seinen Besuch.
    Es war elf Uhr, als ihm diese Zeilen zu Händen kamen, und vor Ablauf einer Stunde schon war er auf dem Wege nach der Salesinergasse. Das Leben in der Ringstraße kam ihm heute noch heiterer vor als gewöhnlich, und das Haus selbst, das in mittäglichem Sonnenschein dalag, schien ihm, als er von der Innenstadt her in die Vorstadt einbog, nur Glück und Freude bedeuten zu sollen.
    Oben traf er Hannah, die mit einem Anfluge von Verlegenheit ihn einzutreten bat. Das Fräulein sei zur Probe, müsse jedoch sehr bald wieder dasein.
    Das Zimmer, in das er von Hannah geführt worden, war dasselbe, in welchem Franziska nach ihrem ersten Plauderabend bei der Gräfin eine Schilderung des cercle intime versucht hatte. Nichts darin, das im geringsten an ein Boudoir erinnert hätte, vielmehr herrschte statt alles russisch Patchoulihaften, das sonst wohl den Zimmereinrichtungen junger Schauspielerinnen eigen zu sein pflegt, eine norddeutsche Schlichtheit und Ordnung und eine beinahe holländische Sauberkeit vor. Auf dem Sofatische stand eine Marmorschale mit Weinlaub und Erdbeeren darin und daneben ein Schmuckständerchen, das hier wie zufällig oder vielleicht auch in der Hast einer etwas zu spät beendeten Toilette stehengeblieben war. Ein Kettenarmband lag auf dem Tische daneben, an dem Ständerchen selbst aber hing ein einfaches, nur aus zwei Golddrähten zusammengelegtes Ringelchen, das statt eines Steins nichts als eine Goldplatte mit einem emaillierten Vergißmeinnicht zeigte.
    Der Graf hing eben noch seinen Betrachtungen über das Ringelchen nach, das augenscheinlich ein Geschenk aus der Schul- oder Konfirmandenzeit her war, als Franziska durch eine Seitentür eintrat und ihn, unter Ausdruck ihres Bedauerns über eine Verspätung auf der Probe, mit leichter Handbewegung aufforderte, seinen Platz auf dem Fauteuil wieder einzunehmen.
    Er seinerseits hatte sich einige Worte zurechtgelegt, Worte, darin sich der »Graf« und der »Liebhaber« ziemlich genau die Waage hielten. Aber ihr Erscheinen änderte sofort seinen Entschluß und ließ ihn umgekehrt empfinden, daß es geraten sein würde, das erste Wort ihr zu lassen.
    Auch Franziska schien es von dieser Seite her anzusehen und das »erste Wort« als ihr gutes Recht in Anspruch zu nehmen. Sie sagte deshalb, während sie sich auf das Sofa niederließ: »Ihr Vertrauen zu meinen Erzählungskünsten, Graf...«
    Er drohte scherzhaft mit dem Finger, aber Franziska ließ sich nicht stören und fuhr in leichtem und beinahe übermütigem Tone fort:
    »Ja, Graf, wir Frauen bleiben immer dieselben und wollen schließlich um unseres Ichs willen adoriert werden. Und nur um unseres Ichs willen. Darin bin ich wie andere. Statt dessen erscheint Graf Petöfy mit einem allerschmeichelhaftesten Antrage, der aber alles Schmeichelhaften unerachtet doch schließlich auf nichts anderes hinausläuft als darauf, eine Märchenerzählerin, eine Redefrau haben zu wollen, etwa wie Louis Napoleon einen Redeminister hatte. Werbung um eine Plaudertasche. Vielleicht der einzige Fall in der Weltgeschichte, die nach dem Maße meiner allerdings vorwiegend aus dem historischen

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