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Graf Petöfy

Graf Petöfy

Titel: Graf Petöfy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Lustspiel herstammenden Geschichtskenntnis immer nur das Umgekehrte zu verzeichnen hatte. Nämlich: mulier taceat...«
    »... in ecclesia«, lachte der Graf. »Und zwar
nur
in ecclesia. Sie dürfen nicht halb zitieren, Franziska. Gleichviel indes, ich weiß nun alles; Sie würden anders zu mir sprechen, wenn Sie vorhätten, mir mit einem ›Nein‹ entgegenzutreten. Ich bin unendlich glücklich darüber, und wenn Sie das Ohr für die Stimme des Herzens haben – und Sie haben dies Ohr –, so wird es Ihnen auch gesagt haben, daß ich, um Ihre Worte zu wiederholen, keine Redefrau, keine Plaudertasche will, die mir Geschichten erzählt und mich abwechselnd durch Drolerien und Anekdoten unterhält. Allerdings will ich unterhalten sein, aber auch das Unterhaltlichste, das Beste, das Sie mir aus Ihrer Gaben Fülle zu bieten imstande sind, wenn ich es loslöste von Ihnen, von Ihrer Person, so wäre das Beste das Beste nicht mehr. Der Zauber Ihrer Rede sind schließlich doch Sie selbst. Und so komme ich denn noch einmal mit diesen meinen ausgestreckten Händen und bitte Sie, dem, was mir vom Leben noch bleibt, einen Inhalt und mit dem Inhalt einen Glanz, ein Glück und eine Freude geben zu wollen.«
    Es schien, daß Franziska nach einer Antwort suchte, der alte Graf aber fuhr fort:
    »Ich lese deutlich, was in Ihrer Seele vorgeht. ›O dieser Selbstling, der im Grunde nur einen gefälligen Ton für sein Ohr oder ein sich einschmeichelndes Bild für sein Auge sucht und doch zugleich einen Lebenseinsatz fordert, ein Leben und ein Herz.‹ Aber nein, Franziska, kein Herz oder doch nicht das, was die Welt, die Jugend ein Herz zu nennen beliebt. Ein anderes, das nichts weiter bedeutet als Sympathie. Meine Wünsche, dessen bin ich gewiß, halten sich innerhalb des Erfüllbaren. Worauf bin ich aus? Ich kann keine trüben Gesichter sehen und liebe Licht und Lachen und Esprit und Witz. Das ist alles, und nur darauf bin ich aus. In meiner Jugend galt ein Champagnerleben als ein Ideal. Aber auch
das
ist mir zu schwer. Es gibt eine Luft, unter deren Einatmung die Freude kommt und heitere Bilder aus der Seele sprießen. Nach
der
Luft dürst ich, und ich habe sie, wenn ich in Ihrer Nähe bin. Um diese Nähe werb ich, Franziska, nicht um mehr. Sie sollen frei sein und die Grenzen Ihrer Freiheit selber ziehen; Ihr feiner Sinn ist mir Bürge, daß Sie sie richtig ziehen werden.«
    Franziska lächelte leise vor sich hin, und eine Verlegenheit, die sie, während sie sich ähnlicher Worte der Gräfin erinnerte, wenigstens momentan beschlichen hatte, fiel rasch wieder von ihr ab. »Ich glaube, Graf«, sagte sie, mit Geflissentlichkeit einen halb scherzhaften Ton anschlagend, »Sie verkennen mein Geschlecht. Ich sehe Schwierigkeiten, aber ich sehe sie nicht da, wo Sie sie sehen. Unser Erbteil ist Neugier, nichts weiter, und was sich aus der ewig beargwohnten Welt der Gefühle mit einmischt, das wiegt nach meiner Erfahrung nicht allzu schwer. Ich kenne die Skala dieser Gefühle, habe die Mittelgrade selbst durchmessen und bin ohne rechten Glauben an die Hoch- und Siedegrade der Leidenschaft. Also nicht das, Graf... Und auch nicht die Kunst. Es gab freilich einmal eine Zeit, in der ich ehrlich und aufrichtig des Glaubens war, ohne Kunst nicht leben zu können. Aber auch das liegt hinter mir. Um in diesem Glauben zu verharren, dazu muß man eine Törin oder ein Genie sein. Und ich bin weder das eine noch das andere.«
    »Und doch...«
    »Nein, kein ›doch‹; nur einfach ein Geständnis meiner Furcht. Ich fürchte mich vor dem kleinen Kriege, der meiner harrt, vor dem Neid auf der einen und dem Hochmut auf der andern Seite, vor den Kränkungen und Nadelstichen, die mir nicht erspart bleiben werden.«
    »Und ich meinerseits wüßte niemand, der sich zu diesen Nadelstichen versucht fühlen könnte, niemand. Und kämen sie doch, nun so gibt es Mittel, ihnen zu begegnen. Das mag meine Sorge sein. Frisch auf denn, Franziska, Mut und Hoffnung! In mein altes Schloß Arpa soll wieder das Leben einziehen, und das Ungarn der Wirklichkeit soll Sie das Ungarn Ihrer Kinderphantasie, so denk ich, für immer vergessen lassen.«
     
Zwölftes Kapitel
     
    Als der Graf sich erhoben und in herzlicher Weise verabschiedet hatte, trat Franziska vom Sofa her ans Fenster. Die frisch eindringende Luft tat ihr wohl, und sie setzte sich an die Brüstung und sah auf das Straßentreiben. Aber an ihrem inneren Auge zogen sehr andere Bilder vorüber: ein Schloß und ein See,

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