Graf Petöfy
aus dem lutherischen Pfarrhause: der reiche Kindersegen, das Whistspiel und die Pastoralkonferenzen. Alles begegnete sowohl von seiner wie von der Gräfin Seite der unverkennbarsten Teilnahme, jede Miene verriet es, und nur Graf Adam, der doch sonst der lauteste Bewunderer solcher Schilderungen und Gespräche zu sein pflegte, war auffallend still geworden. Er sann offenbar anderen Fragen und Dingen nach, antwortete zerstreut und spielte mit der Gardinenquaste, die neben seinem Stuhle herabhing. Er war deshalb auch einverstanden damit, daß man früher aufbrach als gewöhnlich, und gefiel sich weder in Neckerei noch Widerspruch, als Feßler um die Ehre bat, Franziska bis an ihre Wohnung begleiten zu dürfen. Ja, er lächelte kaum und zog sich, als beide gingen, in sein Zimmer zurück, das unmittelbar über dem Salon seiner Schwester gelegen war.
Diese war daran gewöhnt, die nervöse Lebhaftigkeit ihres Bruders ohne besondere Veranlassung in ihr Gegenteil umschlagen zu sehen, und verwunderte sich deshalb erst, als er am nächsten Morgen ohne weitere Grundangabe sein Ausbleiben beim Frühstück entschuldigen ließ. Zugleich hörte sie, daß er in seinem Zimmer auf und ab schritt, wie jemand, der von einer schweren inneren Unruhe gequält wird. Was mocht es sein? Was war vorgefallen, das ihn hätte verstimmen können? Sie sann darüber noch nach, als der alte Graf in ihren Salon eintrat, eleganter gekleidet als gewöhnlich und überhaupt in einer Haltung wie jemand, der zur Audienz erscheint oder einen ernsthaften Vortrag halten will.
Er ging auf die Schwester zu, begrüßte sie mit besonderer Artigkeit und nahm einen Stuhl. Aber er kippte mit demselben nur hin und her, während er sich über die hohe Lehne desselben vorbeugte.
»Habe mit dir zu sprechen, Judith. Bist du bei Laune?«
Die Gräfin war ersichtlich unruhig geworden. »Ich glaube, du weißt, Adam, daß ich das nicht kenne, was man Laune nennt. Aber vor allen Dingen bitt ich dich, Platz zu nehmen.«
»Nein, nicht Platz nehmen; ich kann dann nicht sprechen; es wird dann alles wie Staatsaktion. Laß mich hier stehen oder noch lieber auf und ab gehen; der Teppich wird ohnehin Sorge dafür tragen, es nicht allzu störend für dich zu machen. Und nun ist es wohl das beste, mit der Tür ins Haus zu fallen: ich habe vor, mich zu verheiraten.«
Judith erschrak heftig, aber sie war doch andererseits auch so vorbereitet darauf, daß es ihr gelang, ihre Ruhe rasch wiederzugewinnen. Und so sagte sie denn: »Warum solltest du nicht? Es war einst der Wunsch meines Lebens.«
»
Einst
«, wiederholte der Graf mit einem Anfluge von Bitterkeit oder doch Ironie.
Die Gräfin aber achtete des ironischen Tones nicht und fuhr ihrerseits einfach fort: »Und wen? Aber wozu frag ich noch!«
»Und wie stellst du dich zu meiner Wahl?«
»Nun, sie hat Chic.«
»Und du Mißtrauen?«
»Nein. Ich habe sogar eine Vorliebe für sie.«
»Gut. Dann bin ich deiner schließlichen Zustimmung sicher, obschon ich, um offen zu sein, vom Allerweltsstandpunkt aus mancherlei Schwierigkeiten und Hindernisse keinen Augenblick verkenne: Geburt und Stand und Konfession.«
»Ja«, sagte Judith, »das trennt euch, Geburt und Stand und Konfession. Aber, mein lieber Adam, was euch eigentlich trennt, das hast du nicht genannt. Geburt und Stand, sagtest du. Nun wohl, in kleinen Verhältnissen bedeuten sie viel und schaffen vielleicht unübersteigliche Schwierigkeiten; aber das Haus Petöfy darf sich freier bewegen, und in dem Augenblicke, wo das Ja gesprochen ist, ist auch ausgeglichen, was Geburt und Stand vermissen ließen.«
Er war ersichtlich erfreut, sie so sprechen zu hören, und nickte zustimmend.
»Also nicht das«, fuhr die Gräfin fort. »Und auch die Konfessionsfrage nicht, die Frage nach der Rechtgläubigkeit, die mich viel weniger ängstigt, als du vielleicht glaubst. Ich habe das Vertrauen zu der Macht unserer Kirche, der Macht meiner Gebete zu geschweigen, daß sie den mir wünschenswerten Ausgleich wenn nicht schaffen muß, so doch schaffen
kann
. Aber eines kann sie nicht ausgleichen den Unterschied der Jahre.«
»Welches Wunder auch ungefordert bleibt.«
»Und doch wäre es gut, es vollzöge sich. Ich wollte, du wärest weniger blind oder es schärfte sich doch dein Auge.«
»Blind?« nahm er jetzt erregt und mit einem Anfluge von Überlegenheit das Wort. »Blind. Bin ich es denn? Du verkennst mich beständig, Judith, indem du meine Fehler entweder übertreibst oder sie
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