Graf Petöfy
den Garten. Sage, was bedeutet der große Saal hier nebenan, der jetzt wahrscheinlich zu seiner eigenen Verwunderung nichts weiter ist als ein Entree zu meinem Zimmer.«
»Das ist der Eßsaal aus der Türken- oder der Prinz-Eugen-Zeit her, wo der Neubau des Schlosses eben fertig geworden war. Und Toldy zeigte mir auch die Stelle, wo Prinz Eugen leibhaftig gesessen hat.«
»Oh, das interessiert mich. Prinz Eugen! Komm, das will ich sehen. Du mußt mich überhaupt im Schlosse hier umherführen und mir alles sagen, was du weißt. Ich habe dann auch Stoff für den Grafen und kann ihm Konversation machen. Er hat es so gern. Bis jetzt kenn ich ja nur meine drei Zimmer.«
Unter diesen Worten war Franziska, von Hannah gefolgt, in den großen Saal eingetreten. Dieser lief durch die ganze Schloßtiefe, weshalb er auch zwei Balkone hatte, von denen der eine weit über den See hin ins Land hinaussah, während sich der andere mit einem Blick auf den Schloßhof begnügen mußte. Hohe Glastüren führten auf beide hinaus. Der Saal selbst war von hellgelbem, poliertem Stuck, desgleichen der Plafond, an dessen vier Ecken ebensoviel Engel in den Saal herniederhingen und in die Tuba bliesen.
Franziska sah hinauf und sagte: »Die Wahrheit zu gestehen, Hannah, ich freue mich, diese vier Engel nicht beständig über mir zu haben. Sie blasen den Petöfyschen Ruhm in die Welt hinaus, und das ist gut, aber unter ihnen zu sitzen ist gefährlich. Zeige mir lieber, wo Prinz Eugen gesessen hat.«
»Ich weiß nur, was ich von Toldy weiß: der Prinz habe die Balkontür gerade im Rücken gehabt.«
»Welche?«
»Die dort, die nach dem Hofe hin.«
Und nun suchten beide die Stelle, wo der Prinz notwendig gesessen haben müsse, lachten, als sie sie gefunden hatten oder doch gefunden zu haben glaubten, und traten endlich wie zum Lohn für ihre Mühe durch die Glastür auf den Balkon hinaus.
Aber nicht auf lange. Die Vormittagssonne fiel von der Seite her blendend auf den Schloßhof und zwang sie, wieder zurückzutreten, um im Schatten der Türpfeiler besser sehen zu können.
»Ah, das ist schön«, sagte Franziska, während sie den Hof mit ihrem Lorgnon musterte. »Du hast mir nur von Türkenzeit und von zweihundert Jahren erzählt, aber das, was hier drüben steht, ist ja viel, viel älter. Und daß es so dicht eingesponnen daliegt, das lieb ich am meisten. Sieh doch nur hier, eine pure Wildnis.« Und dabei wies sie nach rechts hin auf ein niedriges und halb zerbröckeltes Mauerstück, das in seiner Front von Weinlaub halb überwuchert war, während von der Rückseite her allerlei Holunder- und Ebereschenbäume mit ihren schwarzen und roten Beeren in den inneren Schloßhof hineinwuchsen. »Und dies hier«, fuhr sie fort, »dies hier mit dem niedrigen Rundbogen, das muß die Kapelle sein, vielleicht nicht mehr im Gebrauch, aber doch in alter Zeit gewesen, viele hundert Jahre zurück. Versteht sich, da sind ja die zwei Nischen, wo die Heiligen gestanden haben, und der überhängende Turm. Und sieh nur, da ist auch das Glockenseil... Ach, Hannah, es bleibt dabei, das waren doch unsere besten Tage, wie wir noch mit dem Kirchenschlüssel in den Turm gingen und an dem Glockenseil zogen und den Abend einläuteten.«
Franziska, während sie so sprach, war wieder auf den Balkon hinausgetreten und schützte sich jetzt, so gut es ging, mit der Hand gegen die Sonne. Dabei sah sie nach dem Glockenturm hinauf, der im wesentlichen nichts war als eine vom Giebel her vorgeschobene Holzwelle mit einem hölzernen Schrägdach darüber. Auf dem Wellbaum aber, ganz wie segelreffende Matrosen auf einer Rahe liegen, lagen ein paar Arbeiter und zogen ein starkes Tau durch eine der Glockenösen, während ein paar andere von Dach und Giebel her ihre Kameraden bei der Hantierung unterstützten. Und wirklich nicht lange mehr, so sah Franziska, wie sich die größere Glocke zu senken begann, langsam und allmählich, bis sie das starke Bohlenbrett einer mit vier kleinen Pferden bespannten Schleife berührte, die mittlerweile von dem Torbogen her unter den Turm gefahren war.
Alles ging lautlos vonstatten, ohne daß irgendeiner der Schloßbewohner durch Neugier herbeigelockt worden wäre, vielleicht weil die Sonne so glühendheiß auf den Hof fiel. Endlich aber erkannte Franziska den Kutscher, der sie gestern vom Dampfschiff her abgeholt hatte.
»Was gibt es?« fragte sie hinunter.
»Kaput, Gräfin gnädigste.«
»Gestern?«
»Gestern«, klang es zurück. Und ehe sie
Weitere Kostenlose Bücher