Graf Petöfy
auch. Aber es muß was vorausgegangen sein, und dies alte Schloß Arpa, soweit ich seine Geschichte zurückverfolgen kann, ist einfach nur aus Stein und Mörtel aufgebaut worden und ist nichts dazwischen. Und sieh, wo die Dinge so schlicht und alltäglich liegen, da fehlen die Vorbedingungen für den Spuk. Ich möchte sagen, die Petöfys haben der Gespensterwelt nicht genug zu Gefallen getan und sich viel zu sehr als prosaisch ordentliche Leute geriert.«
»... So daß ich also behaupten darf, in eine durchaus respektable Familie gekommen zu sein.«
»Darfst du«, lachte der Graf. »Und wirklich, ein paar Kleinigkeiten, ein paar sehr ›läßliche Sünden‹ abgerechnet, wie Schwester Judith sagen würde, sind wir über das Hausbackenste nicht hinausgekommen. Eigentlich nie. Mein Urgroßvater ließ sich anfänglich gut an und entführte von Brüssel her eine Comtesse Damremont, aber es hielt nicht lange vor, er heiratete sie gleich nach der Entführung und strich also die Schuld aus seinem Schuldbuche wieder aus. Darnach kam mein Großvater, der in der Struenseezeit als Gesandter in Kopenhagen einen Grafen Schimmelmann im Duell über den Haufen schoß. Aber das ist auch alles.«
»Und am End auch gerade genug.«
»Vielleicht. Nur nicht genug, um dir oder mir oder irgendwem anders durch Erscheinung einer Dame blanche die Nachtruhe zu stören. Und nun erlaube mir, dir von dieser Lachsforelle vorzulegen, eine Delikatesse, neben der selbst die Felchen im Bodensee verschwinden. Natürlich Spezialität von Schloß Arpa. Aber nun Pardon, wenn ich dich schon verlasse; meine Leute graben mir im Park einen artesischen Brunnen und sind schon, glaub ich, über den Mittelpunkt der Erde hinaus. Alles, was Magyar ist, ist eigensinnig und will sein Ziel und Glück allemal da finden, wo er's zu suchen angefangen hat. Und wenn's eine Handbreit daneben liegt, so läßt er's liegen.«
»Was mir, beiläufig, gefällt. Man muß das Glück zu zwingen wissen.«
»Gewiß, aber seine Launen auch zu respektieren verstehen. Und nun au revoir.«
Auch Franziska erhob sich und ging in ihr Zimmer zurück.
Oben fand sie Josephinen. »Ach, laß es heut, Josephine; Hannah soll kommen.«
Josephine knickste verdrossen und einigermaßen pikiert darüber, sich durch eine Rivalin verdrängt zu sehen, gleich darnach aber erschien Hannah mit dem Toilettenmantel und stellte sich hinter den Stuhl ihrer Herrin.
»Weißt du, Hannah, mir ist, als hätt ich dich fünf Jahre lang nicht gesehen, und doch ist es, laß mich rechnen, erst neunzehn Tage, daß wir von Wien nach Italien abreisten. Ich hätte dich so gerne mitgehabt. Und dann dacht ich auch wieder, es sei besser so.«
»Das war es auch.«
»Vielleicht. Aber jede Stunde hast du mir gefehlt.«
»Und doch soll es in Italien so wunderschön sein und so viel zu sehen, daß man gar nicht weiß, wie man damit zu Ende kommt.«
»Das ist es ja, Hannah, und eben deshalb ist es am besten, man fängt gar nicht erst an. Du hast keine Vorstellung, wie müd ich immer war. Und dabei mußt ich in einem fort bewundern und alles schön finden und glücklich sein.«
»Ja, glücklich sein; warst du's denn nicht?«
»Oh, gewiß war ich's. Er ist ja so gut gegen mich und überschüttet mich mit Aufmerksamkeiten und Freundlichkeiten. Und auch mit Geschenken. Aber sieh, es ist ein Unglück, ich hänge nicht an Geschenken; ich finde sie beschwerlich und langweilig. Und nun denke dir, immer Ketten und Gehänge, daraus man sich nichts macht, und zehntausend Bilder, die man nicht versteht.«
»Zehntausend?«
»Oder sage die Hälfte, meinetwegen, aber das macht gar keinen Unterschied. Einer von den berühmten Malern hat das ›Paradies‹ gemalt, auf dem tausend Figuren sind; ich glaube, so viele kommen gar nicht ins Paradies hinein. Der Graf war auch der Meinung und freute sich, als ich's sagte, denn ich muß es dir wiederholen, er ist von einer beständigen Güte gegen mich und findet alles hübsch und reizend, was ich sage, so daß es mich geradezu beschämt. Aber während ich das von dem Paradiese so scherzhaft und zu seiner wirklichen Erheiterung hinsagte, war er doch zugleich auch ein wenig ärgerlich auf mich, und warum? Weil es wie Kritik klang und er in einem fort immer nur Bewunderung, immer nur Kunstbewunderung von mir verlangte.«
»Du bist doch aber selbst eine Künstlerin.«
»Eben weil ich es bin oder es zu sein mir wenigstens einbilde, gerade deshalb bin ich so sehr gegen Überspanntheiten auf diesem
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