Graf Petöfy
nur nicht von Mitleid mit mir. Mir konnt eben nichts Besseres geschehen als eure Krankheit. Ich bin doch nun das Billardspiel los und die Promenaden im Treibhaus und kann mich statt dessen mit etwas Vernünftigem beschäftigen, also zum Beispiel, ob eure Zudecke sich verschoben hat oder ob ihr vielleicht heimlich ein Buch habt, aus dem ihr lesen wollt und nicht sollt. Glaube mir, Hannah, ich schwärme geradezu für Barmherzige-Schwesterschaft oder, wenn dir das zu katholisch klingt, für Diakonissentum; wenigstens hier. Der Graf wollt es mir auch abdisputieren und einige meiner Krankenpflegepflichten in die Küche verweisen, die Kathis und Nanis hätten ohnehin nichts zu tun, aber ich hab ihn bekehrt und ihm rundheraus gesagt, erst käme ich und dann die Kathis, und ich hätte nicht Lust, mir eine so gute Gelegenheit zum Zeitvertreib entgehen zu lassen. Und sieh, Kind, so liegt es wirklich. Ich gönne dir alle mögliche Gesundheit, weil ich weiß, daß du Krankheit nicht leiden kannst, aber wenn ich ein bißchen egoistischer wäre, so wünscht ich dir jeden Tag einen furchtbaren Wadenkrampf, so furchtbar und so heftig, daß ich dich ganz in Senfpflaster einwickeln müßte. Das kenn ich alles noch von meiner seligen Mutter her, und war eigentlich schlimm genug, aber mitunter war es auch eine wahre Wonne, wenn's einen so in die Augen biß, bis die Tränen kamen.«
»Male den Teufel nicht an die Wand.«
»Wegen des Krampfes oder wegen der Tränen?«
»Vielleicht wegen beidem. Ich hab es nicht gern, wenn du so sprichst, Franziska. Bedenke doch, ich kenne dich von klein auf und weiß nur zu gut, daß dir ganz anders ums Herz ist. Es geht etwas in dir vor, und du willst es nur nicht aufkommen lassen.«
»Ach, du bist eine Törin. Aber lassen wir's. Ich will nun fort und nach deinem Leidensgefährten sehen, er wird sonst ungeduldig. Hier stell ich dir die Medizin her und das abgebrauste Brausepulver. Und nun hast du alles, was du brauchst, zur Hand. Oder soll ich dir lieber noch die Josephine schicken?«
»O nein.«
Und nach diesem Zwiegespräch ging sie treppab. In dem Zimmer unten lag der Graf auf einem Feldbett, nur mit einem Militärmantel zugedeckt. Er hatte so seine Vorstellungen von dem, was sich für einen Soldaten gezieme, wohin vor allem auch ein künstlich genährtes Entsetzen vor dem Federbett gehörte. Nichts als das Ticktack der Uhr unterbrach die Stille. Die schweren Damastvorhänge der Fenster waren geschlossen, und nur vom Tisch her, auf dem eine mit einem Schleier verhangene Lampe stand, fiel ein mattes Licht auf das Lager des Kranken.
»Ei, das ist hübsch, daß du kommst, Fränzl. Ich habe die Minuten gezählt. Es ist so leer und öde hier, so leer und öde für mich schon, und wie muß es erst für dich sein! O dieser Regen! ›Es regnet, regnet immer noch.‹ Vorzüglich! Ich kann diese Zeile von eurem französisch-preußischen Dichter gar nicht loswerden. Aber nun setz dich und nimm den Lampenschleier fort, ich will dich deutlicher sehen können. Oder laß ihn doch lieber, ich komme sonst auch in eine helle Beleuchtung, und ein Kranker präsentiert sich am besten im Halbdunkel, wenn er sich überhaupt präsentiert. Ein vermaledeites Wetter! Und dreimal vermaledeit diese Neuralgie! Hier in der Hüfte sitzt es. Sie nannten es Ischias, die Herren Doktoren, aber das ist mir gleich, sie könnten es auch Inferno genannt haben oder geradezu Hölle. Judith, wenn sie davon hörte, würde sagen, es spuke vor. Aber es kann nicht jeder in den Himmel kommen. Dazu muß man eben einen Beichtvater haben wie Feßler, der fromm genug ist, einen Luzifer loszubeten. Glaubst du nicht auch? Apropos, ist ein Brief von Judith gekommen?«
»Nein.«
»Ich finde, sie läßt lange damit warten, und doch gibt es Situationen, in denen man umgehend schreiben muß oder doch in derselben Woche noch. Und nun sind es über zwei.«
»Die Gräfin kann krank sein wie du.«
»Kaum. Wer sich jeden Tag so reinbeichtet wie Judith, bei dem gedeiht keine Neuralgie. ›Krankheit wächst nur auf dem Beet der Sünde‹, sagen die Frommen, und vielleicht haben sie recht. Unter allen Umständen halten sie sich dessen gewiß, solange sie nicht persönlich in die Zwickmühle genommen werden, und nur eines ist mir noch gewisser, daß du hier seit vierzehn Tagen ein elendes und tristes Leben führst und daß mit diesem Elend und dieser Tristheit ein Ende gemacht werden muß. Ja, Fränzl, ein Ende gemacht, und wenn ich die Ziegler auf
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