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Graf Petöfy

Graf Petöfy

Titel: Graf Petöfy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Herzen.«
    »Gewiß. Aber wo die Not des Lebens nicht bloß mitspricht, sondern oft geradezu mitschreit, erscheint es mir immer rätselhaft, daß die Stimme des Herzens überhaupt noch gehört wird. Eine meistens doch nur leise Stimme.«
    »Warum leise? Sie kann auch laut sein. Aber freilich, ich wundere mich nicht, Sie diese Sprache führen zu hören. War Ihnen doch die ganze Suche von Anfang an nur ein Sport.«
    Egon biß sich auf die Lippen und sagte mit einem Tone, darin eine gewisse Schärfe lag: »Vielleicht.« Aber rasch wieder einlenkend, fuhr er fort: »Ich begreife Sie nicht, Franziska. Welche Vorwürfe! Sie werden sich doch, Pardon, nicht auf das Gefühlvolle hin inszenieren wollen! Gerade Sie. Das ist ganz unmöglich. Ich möchte nicht gern über diesen Punkt eine Meinungsverschiedenheit oder auch nur Unklarheit zwischen uns herrschen sehen, und so lassen Sie mich Ihnen denn sagen, daß es in meinen Augen nichts Trivialeres gibt als Sentimentalitäten. Und darin, denk ich, stimmen wir zusammen. Ich gönne dem Gesamthause Toldy sein Glück und sein Geschluchze, denn alle diese Menschen, die Weiber natürlich vorauf, haben eine merkwürdige Gabe, zu jeder ihnen beliebigen Zeit in einen Strom von Tränen ausbrechen zu können, aber offen gestanden, ich habe kein Vertrauen zu der Aufrichtigkeit und noch viel, viel weniger zu der Tiefe solcher Gefühlsefferveszenz.«
    »Efferveszenz!« wiederholte sie. »Welche Welt von Gleichgültigkeit drückt sich in diesem einen Fremdwort aus! und diese Gleichgültigkeit haben Sie für das Höchste. Denn das ist es, wenigstens unter den irdischen Dingen. Ich kenne diese Leute, diese sogenannten ›Enterbten‹, und wenn ich mir nun ausmale, wie der alte Toldy das Kind in die Höhe hebt und es küßt und umhalst und wie's dann reihum geht und jeder es halten und wieder haben will, so wird es mir heiß und kalt ums Herz, und ich beklage geradezu, nicht Zeuge davon sein zu können. Wie leer ist anderer Leben dagegen!«
    »Anderer?«
    »Oder sagen wir unser, Ihres, meines. Ich habe nicht gelernt, aus meinem Herzen ein Geheimnis zu machen, und will es auch als Gräfin Petöfy nicht lernen.«

    »Ich erkenne Sie nicht wieder, Franziska.«
    »Weil Sie mich nie gekannt haben... Aber wir werden uns in Trab setzen müssen, Egon, oder wir verfehlen das Schiff.«
    Andras wurde herangerufen, um über die beste Richtung Auskunft zu geben, ehe er aber noch antworten konnte, hörten alle drei schon das erste Läuten vom Dampfschiff her. »Allez!« und in einer rascheren Gangart ging es jetzt über einen Feldweg und gleich darnach in schräger Richtung über eine Wiese hin, um mit Hülfe dieser Schräglinie die Hälfte des Weges abzuschneiden. Aber in der Mitte der Wiese war eine Sumpfstrecke, darin die Pferde so tief einsanken, daß sie kehrtmachen und die Hauptstraße wieder aufsuchen mußten.
    Endlich trotz alledem hatten sie Nagy-Vasar erreicht und jagten nun, um das Versäumte wieder einzuholen, die lange, winklige Gasse hinauf auf den See zu, von woher eben das dritte Läuten herüberklang. Aber ehe sie noch die letzte Biegung gemacht hatten, löste sich das Schiff schon vom Bollwerk und war bereits in voller Fahrt, als sie die Landungsbrücke zwei Minuten zu spät erreichten. Andras, im ganzen Stolz eines gräflichen Dieners, rief dem Kapitän ein ziemlich befehlshaberisches »Halt!« nach und erwartete nicht anders, als daß der Respekt vor seinem Grafen allerhand Wunder wirken werde. Dies Wunder aber blieb aus, da Kapitän und Schiffsleute weder Egon noch Franziska erkannten, und so setzte das Boot denn seine Fahrt ruhig fort, während sich das an der Anlegestelle herumstehende Volk seiner kleinen Schadenfreude hingab und kicherte.
    »Que faire?« fragte Egon, der sich rasch vom Pferde geschwungen hatte. »Wir werden uns in der nächsten Schenke wohl oder übel einquartieren oder vielleicht besser noch bis Mihalifalva reiten müssen. Da finden wir etwas, das einem Gasthof ähnlich sieht.«
    Auch Franziska war aus dem Sattel gestiegen. »Ich denke, wir nehmen ein Segelboot und versuchen es mit einer Fahrt über den See... Sagt, Leute, wie lange fahren wir bis Szegenihaza?«
    Diese Frage hatte sie an eine Gruppe von Personen gerichtet, die bis dahin in dem Ausdruck ihrer Schadenfreude voran gewesen waren, jetzt aber bei der Aussicht auf Lohn und Verdienst mit einem Male sehr ernst und respektvoll wurden.
    »Zwei Stunden«, sagte der eine. »Drei«, verbesserte der andere. So ging es

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