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Graf Petöfy

Graf Petöfy

Titel: Graf Petöfy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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hin und her, bis man sich dahin einigte, daß es in dritthalb Stunden zu machen sei, wenn man ein kleines, leichtes Boot, ein Segel und zwei gute Ruderer nähme. Der Wind sei nicht ungünstig, Südwest, und die Sterne zögen immer heller herauf.
    Alles Volk, das zur Hand war, war denn auch sofort bereit, ein auf den Strand gezogenes Boot wieder flottzumachen, Egon aber nahm Franziskas Hand und sagte: »Franziska, Sie nehmen die Sache von der romantischen Seite. Fast ist es, als trügen Sie Verlangen nach einem Abenteuer. Aber erinnern Sie sich, daß Abenteuer und Gefahr Geschwisterkinder sind. Ich habe manches von diesem See gehört und muß Ihnen sagen, daß Sie beides haben können, Abenteuer und Gefahr.«
    »Beides?« scherzte sie. »Nun, dann um so besser. Übrigens vergessen Sie, daß ich aus einer Seestadt bin. Und weil ich es bin, weiß ich mit aller nur möglichen Sicherheit, daß es gerad umgekehrt liegt und daß keine Gefahr im Anzug ist. Schiffersleute sind die sorglichsten und beinahe ängstlichsten Leute von der Welt, und wenn ein Bootführer mir sagt: ›Heute fahr ich‹, so fahr ich mit ihm, wohin er will, und wenn es in einer Nußschale wäre.«
    »Gut, ich bin es zufrieden. Unter allen Umständen würd es mir schlecht anstehen, noch weiter abmahnen zu wollen. Also wir fahren!«
    Andras hatte, während dies Gespräch geführt wurde, die drei Pferde bei dem Schenkwirt untergebracht. Als er zurückkam, schwamm das Boot schon, und abermals eine Minute später löste sich's unter dem Zurufen der Menge von dem Brückenpfahl ab, an dem man es kurz vor dem Einsteigen zu größerer Bequemlichkeit angekettet hatte. Jeder hatte seinen Platz: Andras am Steuer, Egon und Franziska dicht vor ihm; von den beiden Schiffsleuten aber, denen man sich anvertraut hatte, hielt der eine die Segelleine, während der andere bequem ausgestreckt am Boden lag und seinen wollhaarigen Mohrenkopf gegen die Kielspitze lehnte. Nichtsdestoweniger war er ersichtlich die Hauptperson und gab durch kurze Bewegungen mit seiner Stummelpfeife dem gegenübersitzenden Andras an, ob er mehr nach rechts oder nach links hin steuern solle.
    Die Fahrt war entzückend, keine Welle ging, und Egon und Franziska, die den Blick auf den anscheinend in endloser Ausdehnung vor ihnen liegenden See frei hatten, konnten noch eine Zeitlang die durchglühte Rauchwolke des ihnen vorauffahren den Dampfschiffs erkennen. Endlich aber schwanden Schiff und Glutschein, und von Licht war nichts mehr sichtbar als die Pünktchen in den Hüttenfenstern am Ufer. Andras begann ein Lied, unsicher erst und befangen; als aber gleich darnach sein Gegenpart am Kiel und wieder einen Augenblick später auch der Mann am Segel einzufallen und Egon im Takte Bravo zu klatschen begann, wurde das Singen immer kräftiger und voller und klang melodisch in die Nacht hinein.
    Egon nahm Franziskas Hand und sagte: »Wie schön!«
    »Romantisch«, neckte diese. »Zuletzt behalt ich doch recht mit unserer Fahrt.«
    Aber immer einsamer ward es. Die letzten Lichtfünkchen am Ufer erloschen, und nur die Sterne glühten noch über ihnen.
    So war eine Stunde wohl vergangen, und sie mußten eben den Punkt erreicht haben, wo zwischen zwei Bergmassen das Wetterloch und sehr wahrscheinlich in Folge beständig kreisender Luftströmungen eine von den Schiffern gefürchtete Trichterbewegung, ein Strudel, auf dem See war. Egon wußte von diesen Strudeln und ihrer Gefahr, aber auch wenn er nicht davon gewußt hätte, würd ihn die plötzlich veränderte Haltung der beiden Bootsleute darauf aufmerksam gemacht haben. Der jüngere, der bis dahin die Segelleine gehalten hatte, reffte plötzlich ein, während der andere seine Pfeife beiseite warf und rasch aufsprang, um dem andern bei seiner Arbeit behülflich zu sein. Ihr Singen hatte schon vorher aufgehört. Und nun nahmen beide die großen Ruder zur Hand und griffen mit einer Anstrengung ein, die deutlich erkennen ließ, daß man entweder den Kurs ändern oder einen immer stärker werdenden Widerstand besiegen wolle.
    Franziska hatte all dessen nicht acht und sah nur auf die blinkenden Tropfen, die vom Ruder fielen. Sie war müde geworden und bedauerte nichts weiter, als daß das Singen aufgehört habe. Plötzlich aber überlief es sie fröstelnd und fiebrig, und sie sagte leise vor sich hin: »Mich friert.«
    Wirklich, es kam eiskalt vom Gebirge her, während zugleich hoch oben in der Luft ein feines Getön, ein unheimliches Pfeifen anhob. Und als Egon jetzt

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