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Graf Petöfy

Graf Petöfy

Titel: Graf Petöfy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Mihalifalva begleiten und mir bei der Gelegenheit als erste Wallfahrer eure Rettungsinsel zeigen.«
    Egon und Franziska schwiegen unschlüssig, Judith aber war mit großer Entschiedenheit dagegen. Es sei besser, des Jüngstvergangenen in Andacht und Stille zu gedenken als spöttisch und persiflierend aus dem Inselchen eine Pilgerstätte zu machen.
    Der Graf lachte, war es aber zufrieden und brach allein auf, um an dem so wenig schmeichelhaft von ihm geschilderten Komitatsort einer dreitägigen Gerichtssitzung beizuwohnen.
     
Dreißigstes Kapitel
     
    Eintönig waren die drei Tage vergangen; Egon und Franziska mieden sich und trafen sich nur bei Tisch und beim Tee, und während der Stunden, wo sonst so lebhaft geplaudert zu werden pflegte, war es jetzt still, als ob man sich nichts zu sagen habe. Judith hatte dessen am ersten Tage nicht acht, am zweiten aber bemerkte sie's, und am dritten sprach sie's unumwunden aus. Nun besannen sich Egon und Franziska wieder und nahmen ein Gespräch auf, lebhaft, pointiert und überhaupt anscheinend wie früher. Aber es lachte niemand. Die Worte, die gewechselt wurden, entbehrten aller Unbefangenheit.
    Am vierten Tage früh kam ein Telegramm aus Gruz, worin der Graf meldete, daß er statt am Vormittage, wie gewollt, erst spät am Abend eintreffen werde.
    Das Blatt ging von Hand zu Hand, ohne daß eine Bemerkung gemacht worden wäre; dann aber zog sich Franziska zurück und sah, oben in ihrem Zimmer angekommen, in das Kaminfeuer, das lustig flackerte. Hannah erschien aus dem Nebenzimmer, um ein Scheit aufzulegen, eigentlich aber, weil sie sah, daß ihre Herrin und Freundin bedrückt war und sprechen wollte.
    »Setze dich auf das Kissen hier«, sagte Franziska nach einer Weile. »So; hier. Und nun bleib und erzähle mir etwas Hübsches, etwas Freundliches, etwas Trostreiches. Ich brauch es so sehr. Ich habe Sehsucht nach Wien, nach Welt und Menschen und wollte, wir wären erst fort von hier.«
    »Ich wollt es auch, aber glaubst du, daß es hilft?«
    »Was?«
    »Daß wir hier fortgehen. Ich meine, Fränzl, es muß
hier
anfangen.« Und dabei wies sie mit dem Finger auf Franziskas Herz.
    Diese schwieg und sah vor sich hin.
    »Ja, Fränzl, du mußt wieder einen Willen haben; konntest dich doch sonst bezwingen. Aber die langen Regentage sind schuld, da fing es an. Und das zweite war, daß sie die Marischka wegstahlen, und das dritte, daß das Dampfschiff fort war. Ach, an derlei hängt es immer, und in so kleine Haken hakt der Teufel am liebsten ein. Ich sorge mich jetzt vor dem, was kommt. Denn sieh dich vor, Fränzl ich versteh mich auf Augen, und ein so gutes Herz er hat, so heißes Blut hat er. Er ist ein Feuertopf, und fällt erst mal ein Funke hinein, so haben wir ein Geprassel und einen Krach und Knall. Ich beschwöre dich, hast du mir nichts zu sagen, nicht ein kleines Wort, das mich beruhigen könnte?«
    Franziska schüttelte den Kopf.
    »Fränzl, Gräfin«, fuhr Hannah fort, »ich begreife dich nicht. Du weißt, ich war damals dagegen, in Öslau schon und dann in Wien. Aber als du's durchaus wolltest, da begab ich mich und dachte bei mir: ›Nun, sie muß es am Ende wissen, was ihr Herz kann und nicht kann.‹ Und du berühmtest dich auch. Und nun endet es so. Bezwinge dich und denke, du bist noch jung. Ich will dich nicht mit Tugendrederei quälen; ach Gott, Tugend! Aber sei klug und bedenke, was Phemi dir immer sagte: ›Bis dreißig ist es nichts.‹ Und sieh, ehe du dreißig bist, bis dahin ist noch lang und ändert sich vielleicht viel. Du mußt nur warten können.«
    »Ich glaube wohl, daß du recht hast, Hannah, aber es ist nun einfach zu spät. Und dann, dann... Aber ich will mich nicht bergen und flüchten dahinter: es wäre kleinlich und unedel gegen ihn und vielleicht Schlimmeres noch. Also lassen wir's. Ich fühle meine Schwäche, mein Unrecht, und ich bekenne mich dazu.«
     
    Als Hannah und Franziska so sprachen, war Egon erst in den Park und dann über die breite Dorfwiese fort in die Berge gegangen. Heute zu Fuß.
    Es war derselbe Weg, den er in den ersten Wochen seiner Anwesenheit fast alltäglich mit Franziska gemacht und auf dem ihm das Gespräch über den Entführungsroman in der Devavianyschen Familie zum ersten Mal einen bestimmten Blick in Franziskas leidenschaftliche Natur gegönnt hatte. Hoch oben, am Waldsaume hin, lag Tannen- und Birkenholz in Klaftern aufgeschichtet, und müde vom Steigen nahm er auf einer dieser Klaftern Platz. Er sah vor sich hin,

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