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Graf Petöfy

Graf Petöfy

Titel: Graf Petöfy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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zeichnete Figuren in den Sand und überdachte seine Lage.
    »Was tun? Ich habe nur zwei Wege: weiter treiben oder Rückzug. Und der eine Weg ist um nichts besser als der andere. Weiter treiben und auf Geheimnis hoffen – eine Hoffnung, die jedesmal trügt. Denn alles dunkel Verschwiegene wächst sich ans Licht, heut oder morgen. Also Rückzug oder, was dasselbe sagen will: Rückfall in die Gewissenhaftigkeit, in eine Gewissenhaftigkeit, an die niemand glaubt und am wenigsten die, der man damit zu sagen scheint: ›Ich bin gewissenhafter als du.‹ Die Weiber haben dies Rückzugsrecht, nicht wir. Unser Rückzug ist allemal Erkühlung oder Feigheit oder Überdruß. Oder wird doch so gedeutet. Also nur weiter! Wer ehrlich sein will, muß mit Ehrlichkeit anfangen.«
    Der Weg, auf dem er aufgestiegen war und auf den er jetzt von der Höhe her zurücksah, lief wie ein Faden zwischen den Waldwiesen hin, und ein Wässerchen, das halb in Binsen stand, schlängelte sich nebenher. In den Binsen aber ging der Wind, denn seit dem Sturm auf dem See war wieder ein Wetterumschlag eingetreten, und grauschwarze Wolken, aus denen dann und wann ein Regenschauer niederfiel, zogen endlos vom Gebirg her über das Schloß hin. Auch in diesem Augenblicke wieder lag der Glockenturm in solchem Gewölk, und ein fahler Lichtschein, der von der entgegengesetzten Seite her auf die graue Wand fiel, steigerte nur das Unheimliche des Anblicks. Um ihn her die Stelle, wo das Holz aufgeklaftert lag, war windgeschützt, aber aus dem Walde kam dann und wann ein Luftstrom und schüttelte von dem überhängenden Gezweig einige Tropfen auf ihn nieder. Alles in Nähe und Ferne war wie in eine große Trübe gekleidet.
    Er erhob sich endlich, um seinen Rückweg anzutreten, wollte jedoch den Schlängelpfad, auf dem er gekommen war, nicht wieder einschlagen und zog es vor, weglos über eine den steilen Abhang bedeckende Wiese hinabzusteigen. Diese Wiese war aber glatter und abschüssiger, als er dachte, so daß er sich, um nicht auszugleiten, an allerlei Gebüsch, Weißdorn und Hagrosen, festhalten mußte, die den ganzen Abhang hinauf und hinab gepflanzt waren oder auch wohl sich selber gepflanzt hatten. An einem dieser Büsche blühte noch eine verspätete Rose; die brach er und nahm sie mit sich, einen Augenblick von der Hoffnung und fast auch von dem Glauben erfüllt, ein Unterpfand künftigen Glückes in ihr empfangen zu haben.
    Aber welches war das Glück?
    Und nun sprang er über den Binsenbach fort und hielt wieder die große Straße, bis er zuletzt an ein tieferes Wasser kam, das an seinem Uferrande von Werft und Weiden überwachsen war. Es hieß, daß erst ganz vor kurzem einer an dieser Stelle gefunden worden sei, halb verschlammt und begraben und nur die rechte Hand ausgestreckt nach dem niederhängenden Gezweig. Und keiner wußte, war es Untat oder ein Unglück.
    In weitem Bogen ging er um das verschlammte Wasser herum, aber als er's im Rücken hatte, war ihm doch, als folg ihm wer.
    Er blieb stehen, da stand der andere auch. Und es überlief ihn eiskalt.
    Erst nach einer Weile nahm er wahr, daß es der Widerhall seiner eigenen Schritte gewesen, was er unheimlich und gespenstisch neben und hinter sich gehabt hatte.
     
Einunddreißigstes Kapitel
     
    Der Graf war spät abends, wie sein Telegramm gemeldet, wieder auf Schloß Arpa eingetroffen, aber erst am andern Morgen begrüßte man sich. Er war sehr heiter und aufgeräumt und erzählte von allerlei Zwischenfällen. Ein feiner Sinn für das Komische, der ihn auszeichnete, gab all seinen Schilderungen Kolorit und Leben.
    »Aber nun will ich wissen«, fuhr er fort, »was inzwischen
hier
vorgegangen ist, hier und draußen in der Welt. Denn ich habe seit vier Tagen kein Zeitungsblatt in der Hand gehabt und weiß nicht einmal, ob Gambetta mittlerweile seine Revanche genommen hat oder nicht. Ich vermute, nicht, aber es wäre mir lieb, die Bestätigung zu hören. Und zwar möcht ich sie, wenn es sein kann, von Schwester Judith hören. Ja, Judith soll lesen, hält sie doch ohnehin seit einer Viertelstunde das Zeitungsblatt in der Hand und wartet darauf, daß ich schweigen soll. Ich habe mich zwar in meinem Redestrom durch ihre stille Kritik nicht stören lassen, aber doch beständig gefühlt, daß sie mit ihrer Ungeduld und ihrer Trauermiene meinem ganzen Gruzer Komitatsvortrage das Mark ausgesogen hat. So denn zur Strafe, Judith, lies und fange mit Frankreich an. Es ist immer noch das Interessanteste.

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