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Graf Petöfy

Graf Petöfy

Titel: Graf Petöfy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Ist das Einsamkeit? Du bist hier, Egon ist hier, und zum Überfluß et pour combler le bonheur sorgt auch noch der Himmel für entführte Kinder, für Schiffbruch und Abenteuer.«
    »Eben deshalb«, unterbrach hier die Gräfin und verließ langsam das Zimmer. Es war fast, als ob sie darauf gerechnet habe, von ihm zurückgerufen zu werden.
    Aber seine Verwirrung war zu groß, so groß, daß er in Schweigen verharrte. Sein Auge rötete sich, wie es stets geschah, wenn ihn ein Gegenstand erregte; dann warf er die Zigarette durch die Balkontür, nahm ein Buch, das auf dem Nebentische lag, und blätterte mit dem Finger über den Rand hin, wie wenn man über ein Spiel Karten fährt. Er war bis ins Tiefste getroffen. Aber seine vertrauensselige Natur überwand es wieder, und indem er eine Spalte der Zeitung, aus der Judith vorgelesen hatte, mit dem Auge durchlief, ohne sich im geringsten um den Inhalt zu kümmern, sprach er vor sich hin: »Es ist Judith, wie sie leibt und lebt, und ich werde sie nicht ändern. Die hellste Seele von der Welt und dabei passionierte Schwarzseherin. Überall geheimnist sie was hinein. Das hat sie sich von den Pfaffen angenommen, die sich nichts vorstellen können ohne Dunkel, Komplott und Intrige. Welche Widersprüche leben doch in unserer Natur; sie selbst hat nie den kleinsten Höllenfaden gesponnen, und wenn der Himmel der Hölle Preis wäre, sie würde diesen Faden nicht spinnen können. Aber weil sie von Jugend auf gehört hat, es gäbe dergleichen in der Welt, so sieht sie's nun überall. Übrigens ist es leicht, Rat zu schaffen. Egon hat sich eben verabschiedet, und so paßt es für heute nicht; aber was heute nicht paßt, paßt morgen, und morgen mit dem frühesten werd ich ihn stellen und ihm rundheraus erzählen, was der Tante Judith auf der Seele brennt.«
    Er wiegte sich, als er so sann, in dem Schaukelstuhle hin und her und ging dabei das Gespräch, das er mit Judith gehabt hatte, noch einmal durch. »Wie verlief es doch? Ich hatte von Egon gesprochen. Aber Egon war nicht das letzte Wort... Schiffbruch und Abenteuer sagte ich, und dann antwortete sie: ›Eben deshalb.«‹
    Er sprang auf und schlug sich vor die Stirn. »Wenn...« Aber er wurde seiner Erregung abermals Herr. »Unsinn! Es ist Judith; c'est tout. Woher will sie's wissen. Als ob sie mit im Boot oder wohl gar mit in dem räucherigen Fährhaus gewesen wäre. Sie braucht Geschichten und macht sie sich, das ist alles, und am Ende, warum nicht? Die Menschen machen sich ihre Götter, warum sollen sie sich nicht auch ihre Geschichten machen? Bedürfnis und Angebot, das alte Lied. Übrigens freu ich mich auf das Gesicht, das Egon...«
    In diesem Augenblicke trat Andras ein, um den Frühstückstisch abzuräumen. »Der weiß es«, schoß es dem Grafen durch den Kopf, und ehe er noch einen bestimmten Plan fassen oder zu reiferer Überlegung kommen konnte, fuhr es schon aus ihm heraus: »Andras, mein Junge, ich habe dich so gut wie noch nicht gesehen, seit du mit auf dem See warst. Hast dich tapfer und brav gehalten, hat mir die Gräfin erzählt, und Graf Egon...«
    Der Junge lächelte.
    »Sieh, das hör ich gern, Andras, und du kannst dir auch etwas wünschen, jetzt gleich, oder wenn du mal groß bist und eine Braut hast, hier oder in Wien. Aber hübsch muß sie sein, hörst du! Bist ja selber ein hübscher Jung. Und dann heiratest du sie...«
    »Will nicht, Graf.«
    »Will nicht. Was heißt will nicht? Du wirst schon wollen. Und dann kommen wir alle zu deiner Hochzeit, ich und die Gräfin und Graf Egon. Ja, die Gräfin und Graf Egon auch: die gehören ja jetzt zusammen, weil sie zusammen in dem Boot und in der Gefahr waren. Und Gefahr schließt die Menschen zusammen, das weiß ich... Und du hast nichts auf dem Herzen? Und hast mir nichts zu sagen, Andras?«
    »Nein, Herr.«
    »Und weißt nichts?«
    »Nein, Herr.«
    »Und willst auch nichts wissen?«
    Andras hatte sein »Nein, Herr« schon ein drittes Mal auf der Zunge, besann sich aber rasch und sagte, während er sich vor dem Grafen aufrichtete: »Was, Herr?«
    In dem Tone lag etwas, was den Grafen beschämte.
    »Nichts«, sagte dieser ruhiger. »Es ist gut so. Wir gehen in dieser Woche noch nach Wien. Und du mit.«
     

Zweiunddreißigstes Kapitel
     
    Eine Woche später war man wieder in Wien.
    Der Graf hatte noch am selben Tage, wo sein Gespräch mit Judith stattgefunden, seinen Entschluß ausgesprochen, als Reisemarschall voraufgehen und im Stadtpalais, in dem man

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