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Grafeneck

Titel: Grafeneck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Gross
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Jetzt, wie sie da liegt im Öltuch und schußbereit, und unter dem Blick des Kommissars, der schon viele Waffen gesehen haben muß, Waffen als Tötungswerkzeuge, Waffen als Mordinstrumente, jetzt ist Mauser klar, daß er sie nicht für sich behalten kann. Jetzt ist sie nicht mehr das kaiserzeitliche Andenken, das er jahrzehntelang gepflegt hat. Sie ist eine Waffe.
    »Eine alte P 04«, sagt Mauser und bietet sie dem Kommissar an, er solle sie in die Hand nehmen.
    Greving zögert unwillkürlich. Waffen werden immer mit einem Tuch oder Handschuhen angefaßt. Bis ihm einfällt, daß außer Mausers Fingerabdrücken dort keine mehr zu finden sein werden. Trotzdem nimmt er die Waffe nicht. Es ist kein Schaustück, was Mauser da aus den Tiefen seines Andenkenkellers zutage gefördert hat.
    Es ist ein Corpus delicti.
    »Sie haben das Projektil gefunden, nicht wahr?« fragt Greving nebenher und beschaut sich die Pistole genau, ohne sie anzurühren. »Und sie haben die Kugeln miteinander verglichen.«.
    »So gut ich das halt kann. Ihre Untersuchung wird sicher besser sein.«
    »Wo haben Sie die Kugel gefunden?«
    Jetzt erzählt Mauser ihm alles, plaudert drauflos, was er erlebt hat in den letzten Tagen. Es tut gut, das Geheimnis zu lüften. An Behinderung der Justiz oder Unterschlagung von Beweismitteln hat er nicht im Traum gedacht, sagt er. Er hat überhaupt nicht mehr richtig gedacht in der letzten Zeit. Greving nickt nur.
    »Was hat Ihre Untersuchung denn ergeben?«
    Mauser lacht. Warum nur sieht alles so lächerlich aus, nun, da ihn jemand danach fragt? Unterm Mikroskop Bleistiftstriche verglichen. »Die Kugel stammt aus der Waffe meines Vaters. Also muß er der Täter sein.«
    Greving verzieht den Mund.
    »Das ist nicht gesagt, Herr Mauser. Genauso gut könnte jemand anders mit der Waffe geschossen haben. Vielleicht ist sie Ihrem Vater aus der Hand gerissen worden, oder kurzzeitig gestohlen. Wir suchen ja den Täter im Nazi-Umkreis, und zu dem hat Ihr Vater nicht gehört.«
    »Das hab ich mir auch gesagt. Aber – woher will einer wissen, was in einem Menschen vorgeht?« Mauser schneidet eine Grimasse, als habe er Schmerzen.
    Greving schaut ihn an.
    Behutsam legt er Mauser die Hand auf die Schulter.
    »Sie haben einiges mitgemacht in den vergangenen Tagen, nicht?«
    Mauser nickt nur.
    »Sie hätten uns den Fund der Kugel gleich melden sollen. Dann hätten Sie sich womöglich viel erspart.«
    »Nehmen Sie sie mit«, sagt Mauser und drängt Greving die Waffe auf. »Ich will sie nicht mehr.« Er holt aus einer Schublade das Plastiktütchen mit der gefundenen Kugel und gibt sie hinterher.
    Greving ist froh, daß sie endlich einen Anhaltspunkt haben. Die Geschichte geht um ein paar Ecken, denkt er. Die ist nicht gerade und schlüssig, da steckt etwas Krummes dahinter. Aber das finden wir vielleicht noch heraus. Greving ist auch froh, daß Mauser sein Geheimnis gelüftet hat. Damit ist der dunkle Zusammenhang zwischen ihm und der Höhlenleiche gelöst. Hoffe ich zumindest, denkt Greving. Vielleicht ist da doch noch etwas Lichtscheues, eine Bedrängnis, körperlich zu spüren an diesem Mann. Er schleppt soviel mit sich herum. Soviel Altes. Das ist nicht gut.
    »Sie haben die Leiche ziemlich genau untersucht, als Sie sie gefunden haben, nicht wahr?«
    Jetzt sieht ihn Mauser erstaunt an. Mit großen Augen wie ein Kind. Was ist das nur für ein Bursche?
    »Sie haben eine Probe von der Erde unter den Fingernägeln der Leiche mitgenommen. Und dann haben Sie herausgefunden, daß die Erde zu der Gegend über der Höhle gehört, nicht wahr?«
    Mauser grinst nur. Ihm fällt nichts anderes ein.
    »Haben Sie gedacht, wir merken das nicht? Wir haben sehr rasch festgestellt, daß sich jemand an dem Leichnam zu schaffen gemacht hat. Und das konnten ja nur Sie gewesen sein. Sie haben den Fund auch nicht gleich gemeldet, Sie sind –«
    »Sie haben recht, Herr Kommissar«, sagt Mauser und hebt die Hände.
    Sie blicken einander an.
    »Was soll ich nur mit Ihnen machen?« sagt Greving ratlos. »Sie haben sich massiv in die Arbeit der Polizei eingemischt. Waiblinger würde Sie dafür ins Gefängnis stecken wollen.«
    »Ach, der Waiblinger!«
    »Haben Sie mir jetzt alles gesagt, oder halten Sie mit noch etwas hinter dem Berg?«
    »Erbarmen«, sagt Mauser nur. »Das ist es, was wir brauchen. Das wissen Sie ja, Herr Kommissar.«
    Greving runzelt die Stirn und nickt dann.
    »Wir werden Ihnen Bescheid geben, sobald das Ergebnis der ballistischen

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