Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
en ans Essen der ›Gral‹ durch den Kopf schoß, von dem hier alle im Lager munkelten, aber w o rüber mir keiner auch nur eine im geringsten befried i gende Antwort geben konnte. Es mußte mehr sein als ein Schatz, eine Labsal, die keinen Durst mehr verspüren ließ, ein himmlisches Manna, das einen armen Mönch wie mich über alle irdische Mühsal erhob.
»Suchen wir den Schatz, diesen Gral?« bohrte ich vo r sichtig, weil ich mich schämte, es nicht besser zu wissen, und weil ich schon oft die wunderlichsten, schroffsten Reaktionen erlebt hatte, wenn unsereins auf den eigentl i chen Grund unseres Kreuzzuges zu sprechen kam.
»Nein, William«, grinste Jordi, »es geht um einen Ha u fen wertloser Steine, um die sich keiner gekümmert hat, weswegen sie für die Verteidiger des Montségur zum b e quemen Mauseloch geworden sind, durch das sie ihren Nachschub holen – doch jetzt kommt die Katze!«
Er lachte pfiffig, und ich wußte soviel wie zuvor, i m merhin aber ungefähr, wo der Roc de la Tour lag: am ä u ßersten Nordostpunkt des Pog, dort wo sich der Sattel des Berges senkte und den Lasset wieder freigab.
»Warum gehen wir nicht durch die Schlucht, die viel kürzer sein soll?«
»Ganz einfach, weil dort die Templer wachen und längst unser Kommen hinaufsignalisiert hätten!«
»Das sind doch christliche Ritter«, schnaubte ich e m pört, »wie könnt Ihr denken, sie hielten es mit den Ke t zern?«
»Du hast nach dem Gral gefragt, Franziskaner? Da hast du die Antwort!« Er schritt jetzt schneller und gab mir so zu verstehen, daß er mir nichts weiter sagen wollte.
Bald waren wir am Fuße des Felsen angekommen, wo die Leute aus dem Camon lagerten. Der Empfang war fro s tig, wenn nicht feindselig. Sie begrüßten den Sen e schall förmlich, die Basken hingegen gar nicht. »Verr ä ter!« hörte ich sie zischeln.
Mittlerweile war es dunkel geworden. Der Seneschall verbot, was die Stimmung nicht gerade hob, jedes Feuer, um Lichtsignale zu verhindern.
Über uns, dem Auge halb verborgen hinter schnell zi e henden Wolkenfetzen, reckte sich das Vorwerk der Ketze r feste in die mondlose Nacht. Die Montagnards hatten sich die braungegerbten Gesichter zusätzlich noch mit Ruß g e schwärzt. Sie trugen keine Rüstungen, keine schweren Waffen – nur engsitzende Le-derwämse und zweiseitig geschliffene Dolche, deren Griffe über die Schulter und aus den Stiefeln ragten.
Auf Befehl des Seneschalls segnete ich sie, jeden ei n zelnen. Als die Reihe an Jordi kam, flüsterte ich nach dem Kreuzzeichen: »Die Mutter Gottes behüte …«
Doch er zog aus seinem Hosenschlitz eine schwarze Katzenpfote hervor. »Spuck drauf«, raunte er mir zu, »wenn du mir wohl willst.«
Ich täuschte einen Hustenanfall vor und tat ihm den G e fallen.
Die Montagnards bewegten sich wirklich wie Raubka t zen, sie verständigten sich durch Tierschreie; kaum daß sie in die Felswand eingestiegen waren, wurden sie al s bald unseren Blicken entzogen.
Ich verbrachte den Rest der Nacht trinkend, meinem S e ne-schall Gesellschaft leistend. Wir schwiegen und lausc h ten in die Höhe. Ob ich es mir nur einbildete oder dem B e richt Jordis erlegen war, jedenfalls sah ich das Geschehen deutlich vor mir, so als hätte ich es selbst m i terlebt:
Die Montagnards erklommen zügig die Höhe des Roc de la Tour, doch eng ins schroffe Gestein gepreßt warteten sie reglos, bis das Morgengrauen einsetzte.
Die Verteidiger des Vorwerks, katalanische Armbrus t schützen, hatten die ganze Nacht ins Dunkel gestarrt, denn die Ankunft der Basken war ihnen nicht verborgen gebli e ben. Als der Morgen endlich dämmerte, schien die Gefahr für diese Nacht gebannt.
Die Anspannung ihrer Augenlider ließ nach. Es verging noch in trügerischer Stille die Zeit eines Ave Maria – die Montagnards sprangen die übernächtigten Verteidiger an, im Sprung zogen sie ihre Dolche – Röcheln, Stöhnen, dumpfer Fall – ein paar Felsbrocken prasselten, dazw i schen das Zwitschern der Bolzen – die Katalanen zogen sich über den bewaldeten Höhenrücken unter die schütze n den Burgmauern zurück. Die Basken wagten nicht, ihnen zu folgen. Auf Distanz waren die Armbrustiers überlegen, doch es war noch zu dunkel, und so ließen diese davon ab, die Montagnards wieder vom Roc zu vertreiben.
Damit war die letzte, uns jedenfalls bekannte, Verbi n dung der Belagerten mit der Außenwelt abgeschnürt, der Ring um den Montségur geschlossen.
Den Rest erzählte mir Jordi, als ich ihn
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