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Gralszauber

Titel: Gralszauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Stehen.
Vor ihm lag ein schmaler Weg, auf dessen gegenüberliegender Seite kein Wald mehr war, sondern das von
mannshohem Schilf beherrschte Ufer eines kleinen Sees.
Und das Unheimlichste war, dass er diesen See kannte.
Lancelot erkannte ihn sofort und ohne den allerkleinsten
Zweifel wieder. Es war genau die Stelle, an der er Morgaine le Faye zum ersten Mal gesehen hatte. Der See, in
dem er die Rüstung gefunden hatte.
Lancelot blieb endlos lange im Sattel des Einhorns sitzen und starrte das ruhig daliegende Wasser an. Er war
erschüttert, denn wenn er eines nicht glaubte, dann das,
dass er zufällig hierher gekommen war. Vielleicht war er
tatsächlich einen ganzen Tag und eine ganze Nacht durch
die Wälder geirrt, aber alles andere als ziellos. Irgendetwas in ihm – vielleicht Dulac, der irgendwo tief in ihm
noch immer existieren mochte – hatte ihn ganz gezielt
hierher geführt.
Und er glaubte zu wissen, warum.
Nach einer Weile schwang er sich aus dem Sattel und
ging mit langsamen Schritten zum Ufer. Plötzlich ergab
alles einen Sinn, selbst der See, in dem er in seinem
Traum zu ertrinken geglaubt hatte.
Während er so dastand und den See anstarrte, ohne ihn
indes wirklich zu sehen, wurde ihm noch einmal klar, was
in den letzten Tagen und Wochen alles geschehen war.
Was er getan hatte.
Er hatte Menschen getötet. Er hatte jeden enttäuscht und
verletzt, der ihm jemals etwas bedeutet hatte, und er hatte
die beiden einzigen Menschen verloren, die er jemals geliebt hatte. Vor wenigen Stunden war er sogar bereit gewesen, einen kaltblütigen Mord zu begehen.
Und alles hatte mit dieser Rüstung angefangen. Was er
für ein Geschenk gehalten hatte, war zu einem Fluch geworden, der sein Leben innerhalb weniger Tage in einen
Trümmerhaufen verwandelt hatte. Wenn er sie auch nur
einen einzigen Tag länger behielt, dann würde er vielleicht
nicht einmal mehr die Kraft haben, sie abzulegen.
Er wusste jetzt, warum Dulac ihn ausgerechnet hierher
geführt hatte. Dies war der Ort, an dem er die Rüstung
gefunden hatte, und hier würde er sie auch wieder ablegen.
Mochte sie weiter hundert oder vielleicht auch tausend
Jahre im Wasser liegen, bis sie ein anderer fand. Vielleicht
würde sie ja nicht für jeden zum Fluch werden.
Er setzte den Helm ab, hielt ihn noch ein letztes Mal zögernd in den Händen und warf ihn schließlich in hohem
Bogen von sich. Er versank mit einem gewaltigen Platschen im Wasser und war noch für einen Moment zu sehen, um dann endgültig zu verschwinden.
Etwas in Lancelot schien sich zu krümmen wie ein getretener Wurm. Das Gefühl des Verlustes war so stark,
dass er an einen körperlichen Schmerz grenzte. Es dauerte
Minuten, bis er die Kraft fand, weiterzumachen und den
linken Handschuh auszuziehen, und noch einmal Minuten,
bis der rechte folgte.
Lancelot brauchte fast eine halbe Stunde, um sich der
kompletten Rüstung zu entledigen. Anschließend watete er
in den See, bis ihm das Wasser bis zu den Hüften reichte,
und versenkte die Rüstung darin. Nackt und zitternd stand
er im kalten Wasser, aber er fühlte sich unendlich erleichtert. Die Rüstung war fort und mit ihr war Lancelot verschwunden. Der zitternde nackte Junge, der zwei Meter
entfernt vom Ufer im eisigen Wasser stand, war wieder
Dulac. Er war unendlich, unendlich erleichtert.
»Du wirst dich fürchterlich erkälten, wenn du noch lange so im eiskalten Wasser herumstehst.«
Dulac fuhr so erschrocken zusammen, dass das Wasser
rings um ihn herum kleine Wellen schlug, und wirbelte
herum.
Was er sah, hätte ihm um ein Haar einen Schrei entlockt.
Das Einhorn war spurlos verschwunden. An seiner Stelle
stand ein anderes, ebenfalls weißes Pferd, das fast so groß
war wie das Einhorn, aber viel zartgliedriger. In seinem
Sattel saß eine schlanke, in strahlendes Weiß gekleidete
Gestalt, die mit einem spöttischen Lächeln auf ihn herabsah.
»Lady … Gwin…neth«, stammelte er. »Aber das … ich
meine, wie …?«
»Du erinnerst dich also immerhin noch an meinen Namen«, sagte Gwinneth spöttisch. »Nach so langer Zeit. Ich
fühle mich geschmeichelt.«
Dulac sah sich fast verzweifelt nach einem Fluchtweg
um. Es gab keinen. Er konnte sich weiter in das mannshohe Schilf zurückziehen, aber das war auch alles.
»Wirklich, du solltest aus dem Wasser kommen«, sagte
Gwinneth spöttisch. »Es ist viel zu kalt, um zu baden.«
Damit hatte er das nächste Problem. »Dann … dann wärt
Ihr vielleicht so freundlich,

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