Gralszauber
statt in der
Küche, wie er es gewohnt war. Er setzte sich, sah Wander
jedoch zögernd an, ehe er nach der Schale mit heißer Suppe griff. Es war heiße, dicke Suppe mit viel Gemüse und
großen Fleischstücken, eine Köstlichkeit, die er selten
bekommen hatte, wenn Tander die Befehlsgewalt in der
Küche hatte.
»Und wenn jetzt Gäste kommen?«, fragte er mit einer
entsprechenden Kopfbewegung zur Tür.
»Dann sind noch genügend andere Tische frei«, antwortete Wander lapidar. Er brach ein Stück Brot ab, tunkte es
in seine Suppe und fuhr kauend und mit vollem Mund fort:
»Außerdem kommen keine Gäste.«
»Was soll das heißen, es kommen keine Gäste? Ist das
Gasthaus geschlossen?«
»Nein«, antwortete Wander. »Aber es kommt niemand
mehr. Der letzte Gast war vor zwei Wochen da.« Er hob
die Schultern. »Du hast die Stadt gesehen. Die Menschen
haben Besseres zu tun als ins Gasthaus zu gehen. Und seit
sich die Barbaren rings um Camelot zusammenziehen,
kommen keine Gäste mehr von außerhalb.«
Dulac ließ das Brot sinken. »Seit sich … die Barbaren
zusammenrotten?«, wiederholte er. »Was meinst du damit?«
»Dafür, dass du vier Wochen lang in den Wäldern gelebt
hast, weißt du ziemlich wenig«, sagte Wander spöttisch.
»Ich war ziemlich weit weg«, antwortete Dulac. »Und
die meiste Zeit habe ich mich in den Wäldern versteckt.«
»Dabei hättest du eigentlich über sie stolpern müssen«,
sagte Wander, »denn die Wälder wimmeln von Pikten. Es
heißt, Mordred zieht ein Heer zusammen, um gegen Camelot zu ziehen.«
»Und Artus unternimmt nichts dagegen?«
»Was soll er tun?«, fragte Wander. »Er hat Patrouillen
ausgeschickt und er stellt seinerseits ein Heer auf. Seine
Ritter bilden einen Trupp von fünf- oder sechshundert
Mann aus – Sander ist übrigens auch dabei –, aber das ist
alles, was Camelot an waffenfähigen Männern entbehren
kann.«
Seine Worte erschreckten Dulac weit mehr, als er zugab.
Ein Heer? Camelot hatte niemals ein Heer gebraucht. Artus und seine Tafelritter waren alles, was sie an Schutz
nötig hatten.
»Dann wird es Krieg geben?«, fragte er fast im Flüsterton.
»Es sieht so aus«, antwortete Wander düster. »Artus behauptet zwar bei jeder Gelegenheit, dass nicht einmal
Mordred wahnsinnig genug wäre, Camelot offen anzugreifen, aber in Wahrheit glaubt er das wohl nicht einmal
selbst.«
»Das klingt nicht nach dem Artus, den ich kenne«,
murmelte Dulac.
»Artus hat sich verändert, seit Lancelot nicht mehr da
ist«, bestätigte Wander. »Er macht sich wohl Vorwürfe.«
»Weshalb?«
Statt zu antworten machte Wander eine wegwerfende
Handbewegung. »Ich will nicht den Hofklatsch wiedergeben«, sagte er. »Ich war nicht dabei. Warum fragst du ihn
nicht selbst?«
Dulac beugte sich hastig über seine Suppe. Er hatte
Wander mit seiner Frage verärgert, auch wenn er nicht
genau wusste wieso. Eine Zeit lang aßen sie schweigend,
dann wechselte Dulac ganz bewusst das Thema.
»Wenn keine Gäste mehr kommen, wovon lebt ihr
dann?«
»Der König zahlt gut«, antwortete Wander.
Und was er nicht bezahlt, das stiehlt Tander eben, fügte
Dulac in Gedanken hinzu. Natürlich sprach er es nicht aus.
Wander wusste es sowieso. Er wechselte abermals das
Thema.
»Was erzählt man sich über die bevorstehende Hochzeit?«
Wander lutschte schmatzend die Brühe aus seinem Brot
und hob die Schultern. »Sie wird wohl stattfinden, aber
wenn du mich fragst, ist es kein guter Zeitpunkt. Das Volk
will keine große Hochzeitsfeier, wenn Mordreds Horden
bereits mit der Fackel in der Hand dastehen, um ihm das
Dach über dem Kopf anzuzünden.«
»Vielleicht gibt es ja keinen Krieg«, sagte Dulac. Die
Worte klangen nicht einmal in seinen eigenen Ohren überzeugend und Wander machte sich auch gar nicht die Mühe, darauf zu antworten. Er schlürfte weiter seine Suppe,
schob die nur halb geleerte Schale schließlich zurück und
sagte: »Ja, vielleicht.«
Warum tat Artus nichts? Dulac ließ alles, was er gerade
gehört hatte, noch einmal in Gedanken Revue passieren,
aber es ergab hinterher noch weniger Sinn als zuvor. Der
Artus, den er kannte, hätte nicht die Hände in den Schoß
gelegt und abgewartet, ob die Pikten angriffen oder nicht.
Er hätte etwas unternommen. Und dieses Etwas hätte
gewiss nicht darin bestanden, ein paar hundert hastig ausgebildete Männer aufzustellen, die in der offenen Schlacht
ohnehin keine Chance hatten.
»Es ist spät geworden«, sagte Wander
Weitere Kostenlose Bücher