Gralszauber
vergessen.
»Ja, dein verdammter Köter!«, bestätigte Evan. Das
Grinsen war aus seinem Gesicht verschwunden. Seine
Augen blitzten vor Hass. »Sparky hat er die Kehle durchgebissen und Buster und Holly sind mehr tot als lebendig!
Du hast dieses verdammte Vieh verhext!«
»Du bist ja verrückt«, sagte Dulac verwirrt. Erneut versuchte er an Evan vorbeizugehen und wieder vertrat ihm
der Junge den Weg.
»Was soll das?«, fragte Dulac. »Lass mich durch!«
»Irgendwas stimmt doch mit dir nicht!«, behauptete
Evan. »Erst verprügelst du uns alle drei und dann zerreißt
dein Mistköter unsere Hunde. Das ist Hexerei! Du hast
dich mit dem Teufel eingelassen, habe ich Recht?«
»Wenn es wirklich so wäre«, antwortete Dulac, »dann
wäre es ziemlich tollkühn von dir, so mit mir zu reden.«
Evan lachte, aber es wirkte nicht ganz echt. In seinen
Augen flackerte es vor Angst, die er nur noch mit Mühe
beherrschte. »Treib es nicht zu weit«, sagte er. »Du stehst
vielleicht unter Artus’ Schutz, aber du solltest dich besser
nicht zu sicher fühlen.«
»Wer sagt, dass ich das tue?« Dulac hob den Arm und
schob Evan kurzerhand zur Seite. Einen Moment lang
schien es, als wolle Evan Widerstand leisten, und Dulac
fragte sich bereits, was er tun sollte, wenn Evan den Weg
nicht freiwillig freigab. Aber dann konnte er spüren, wie
Evans Widerstand brach und die Furcht die Oberhand gewann. Hastig trat er zur Seite und Dulac ging an ihm vorbei und lief mit raschen Schritten die Treppe hinauf.
Er war erleichtert, dass Evan letzten Endes doch nachgegeben hatte. Dulac hatte keine Angst vor ihm. Er wusste, dass er Evan jederzeit gewachsen war, aber er hätte es
zutiefst bedauert, wenn er gezwungen gewesen wäre, sich
mit ihm zu schlagen. Er wollte nicht mehr kämpfen, nicht
einmal gegen ihn. Er hatte so viele Kämpfe miterlebt und
hinter sich gebracht, dass er endgültig begriffen hatte, dass
es in einem Kampf niemals einen wirklichen Sieger gab,
sondern nur Verlierer. Vermutlich hätte er Evan nicht
einmal schlagen müssen um ihn zu vertreiben. Aber er
wollte keine Angst mehr verbreiten.
Er verließ den Keller, wandte sich nach rechts und eilte
die Stufen zum Haupthaus empor. Ohne innezuhalten
durchquerte er die Halle, lief nach oben und betrat den
Thronsaal. Er hätte angeklopft, aber es war nicht nötig:
Die Tür stand offen und Artus war allein in dem großen
Raum. Er saß nicht an seinem angestammten Platz an der
Tafel, sondern auf dem wuchtigen Stuhl vor dem Kamin.
Obwohl es sehr warm war, hatte er ein Feuer entzündet
und sich in denselben schwarzen Mantel gewickelt, den er
auch am Morgen getragen hatte, und Dulac musste nur
einen einzigen Blick in sein Gesicht werfen um zu erkennen, dass Evan sich geirrt hatte. Artus war nicht nach Sonnenaufgang, sondern noch gar nicht schlafen gegangen. Er
sah sehr müde aus und das auf eine Art, die sich nicht auf
rein körperliche Erschöpfung beschränkte.
Als Dulac hereinkam, schrak Artus leicht zusammen und
sah ihn einen Moment lang an, als wüsste er gar nicht, wer
vor ihm stand. Dann erschien ein mattes Lächeln auf seinem Gesicht. »Ah, Dulac«, sagte er.
»Mylord.« Dulac deutete ein Kopfnicken an. Einige Sekunden herrschte Stille. Als Artus keine Anstalten machte,
von sich aus weiterzusprechen, fuhr er fort: »Ihr habt mich
rufen lassen?«
»Ja, das habe ich.« Artus hob die Hand und winkte Dulac näher zu kommen. Die Bewegung wirkte matt, fast wie
die eines uralten Mannes, dem es schon Mühe bereitete,
auch nur die Hand zu heben, und zum allerersten Mal
fragte sich Dulac, wie alt Artus eigentlich war. Niemand
wusste es genau und niemand hatte diese Frage je gestellt.
Sein Gesicht war das eines Mannes irgendwo in jenem
schwer zu schätzenden Alter zwischen vierzig und fünfzig.
Er trug das Haar etwas länger, als es die derzeitige Mode
vorschrieb, was ihn möglicherweise jünger erscheinen
ließ, als er war, und der Großteil der schmalen Falten, die
seine Augen einrahmten, kamen vom Lachen. Aber es war
lange her, dass er Artus das letzte Mal hatte lachen sehen.
Artus sprach auch jetzt nicht weiter und so ergriff Dulac
wieder das Wort. »Wenn es um Tander geht, Herr – ich
weiß jetzt, dass er Euch bestohlen hat. Und auch, wo er
seine Beute versteckt hat. Er will sie heute Abend –«
»Das ist jetzt nicht so wichtig.« Artus unterbrach ihn mit
einer Geste und setzte sich gerade auf, aber er wirkte immer noch müde. »Ich habe eine
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