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Gralszauber

Titel: Gralszauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wollte den König nicht in Verlegenheit bringen.
Nicht wenige Tafelritter hätten empört reagiert, hätten sie
erfahren, dass Artus einen Heiden an seinem Hofe duldete.
So wandte er sich um, ging ein paar Schritte bis zum
Waldrand und suchte sich einen Platz, um sich hinzusetzen und seinem schmerzenden Rücken ein wenig Ruhe zu
gönnen.
Es war sehr still hier. Aus dem Wald drang nicht der geringste Laut, nicht einmal das Knacken eines Zweiges
oder das Rascheln der Blätter, und der Wind trug einen
leicht modrigen Geruch mit sich, den Dulac aber nicht als
unangenehm empfand. Vielmehr erfüllte er die Umgebung
mit einem Gefühl von Leben, wie er es in dieser Intensität
selten verspürt hatte.
Überhaupt begann ihm dieses Stück Land immer besser
zu gefallen, so unwirtlich und fremd es ihm auch im ersten
Moment vorgekommen war. Sie waren hier weitab von
jeder menschlichen Behausung und noch weiter von dem,
was Artus manchmal mit dem Wort Zivilisation bezeichnete. Es hätte Dulac nicht gewundert, zu erfahren, dass
hier manchmal monatelang keine Menschen entlangkamen, wenn nicht Jahre. Und vielleicht war es gerade das,
was er spürte: die Unberührtheit dieses Ortes.
Nicht weit von ihm entfernt zogen Artus und seine Ritter
nacheinander ihre Schwerter aus den Gürteln und rammten
die Waffen vor sich in den Boden, um davor niederzuknien und die Hände zum Gebet zu falten. Einzig Sir
Mandrake blieb stehen und begann mit leiser Stimme lateinische Verse zu zitieren, die vermutlich außer ihm und
Artus niemand verstand.
Dulac konnte sich eines eisigen Schauderns nicht erwehren. Der Anblick erinnerte ihn an Männer, die vor Grabkreuzen knieten, um Gnade für die Seelen der Verstorbenen zu erbitten. Nur dass er sich des unheimlichen Gefühles nicht erwehren konnte, dass es ihre eigenen Gräber
waren …
Er verscheuchte den Gedanken, aber ganz gelang es ihm
nicht. Etwas von der klebrigen Furcht blieb, die er mit sich
gebracht hatte. Er hatte das unheimliche Gefühl, einen
Blick in die Zukunft getan zu haben, ja auf eine bestimmte
Weise wusste er, dass es ganz genau so war. In den Jahren,
die er nun auf Camelot lebte, hatte er so manchen Ritter
kommen und gehen sehen und die meisten, die gegangen
waren, waren im Kampf gefallen. Die Tafelritter und allen
voran König Artus mochten schon zu Lebzeiten eine Legende sein, doch sie waren weder unsterblich noch unverwundbar. Die meisten von ihnen – wenn nicht alle – würden durch das Schwert fallen, mit dem sie gelebt hatten.
Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht in einem Monat
oder einem Jahr, aber sie würden durch das Schwert fallen. Er fragte sich, ob es das war, was Dagda gemeint hatte.
Das Gebet ging zu Ende. Mandrake hob die Hand, um
die Ritter vor sich zu segnen, stockte dann mitten in der
Bewegung und sah sich irritiert um und Dulacs Herz
machte einen erschrockenen Satz. Mit einer einzigen Bewegung sprang er auf, rannte zu seinem Pferd und nestelte
den Lederbeutel vom Sattelgurt, den Dagda ihm mitgegeben hatte. Noch während er zu Mandrake hinrannte, riss er
ihn auf und grub mit zitternden Fingern nach dem zweiten,
kleineren Ledersäckchen, das er enthielt. Er brauchte auf
diese Weise weniger als eine halbe Minute, bis er Mandrake erreichte. Trotzdem durchbohrte ihn der Tafelritter
mit einem Blick, als hätte er ein todeswürdiges Verbrechen begangen, und riss ihm das Säckchen ungestüm aus
der Hand.
Dulac wich rasch rückwärts gehend ein halbes Dutzend
Schritte zurück, um die Zeremonie nicht noch weiter zu
stören und sich Mandrakes Zorn damit endgültig zuzuziehen. Mandrake schenkte ihm noch einen zornsprühenden
Blick, dann öffnete er das Säckchen und schüttelte die
darin befindlichen Oblaten in seine geöffnete linke Hand.
Während er weiter halblaut lateinische Texte murmelte,
traten die Tafelritter einer nach dem anderen zu ihm, knieten vor ihm nieder und ließen sich eine der Oblaten auf die
Zunge legen, wobei Mandrake mit der anderen Hand das
Kreuzzeichen auf ihre Stirn machte. Dulac kannte natürlich die Bedeutung dieses Vorganges, auch wenn er kein
geübter Kirchengänger war, aber er war ein wenig erstaunt. Er glaubte kaum, dass dies die übliche Form des
christlichen Abendmahles war; oder dass man es überhaupt in einer Situation wie dieser abhielt.
Aber andererseits war er auch noch niemals zuvor mit
Artus und seinen Männern in die Schlacht geritten.
Dulac sah schweigend zu, während die Ritter einen

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