Gralszauber
schlagartig klar
wurde, dass er einen Fehler gemacht hatte. Es war zwar
recht umsichtig gewesen, die Rüstung erst hier draußen
anzulegen, aber dafür umso dümmer, sich kein Pferd besorgt zu haben. Er konnte den Weg nach Malagon wohl
schlecht zu Fuß zurücklegen!
Hinter ihm ertönte ein scharfes Krachen. Dulac fuhr erschrocken herum.
Nur wenige Schritte hinter ihm stand ein gewaltiges, in
schimmerndes Silber gehülltes Pferd. Es war ein prachtvolles Tier, sicherlich so groß wie das des Königs, aber
ungleich eleganter. Aus seinem Stirnpanzer ragte ein
handlanger, gedrehter Silberdorn, was ihm das Aussehen
eines mythischen Einhorns verlieh, und auf seinem Panzer
und der weißen Satteldecke wiederholte sich das Symbol,
das auch auf dem Schild auf Dulacs Rücken prangte. Ein
sonderbar milder Schimmer umgab das Tier, wie ein Licht
aus einer fremden Welt, das für einen Moment seine Konturen nachzeichnete und dann erlosch. Das Tier wandte
den Kopf, sah ihn aus seinen großen, klugen Augen an und
schnaubte dann auffordernd.
»Ja, ja, ich komme«, sagte Dulac. »Du hast ja Recht.
Wir haben nicht viel Zeit.« Während er auf das Tier zuging und sich mit einer so kraftvollen Bewegung in den
Sattel schwang, als hätte er sein Leben lang nichts anderes
getan, stahl sich ein Lächeln auf seine Lippen.
»Nur gut, dass ich mir keinen Drachen gewünscht habe«, seufzte er.
Das Pferd schnaubte, als hätte es seine Worte verstanden, dann drehte es sich um und setzte sich ohne das Zutun seines Reiters in nördlicher Richtung in Bewegung.
Er war den Rest des Tages und den allergrößten Teil der
Nacht durchgeritten, ohne eine einzige Rast einzulegen.
Sein Pferd war unermüdlich nach Norden getrabt, nicht
allzu schnell, aber in stetigem Tempo und ohne vom direkten Weg abzuweichen. Sie waren durch Wälder geritten,
über flache Wiesen und steinige Ebenen und kein Wald
schien dem silbergepanzerten Ross zu dicht, kein Weg zu
steinig, kein Hügel zu steil. Gegen Mitternacht hatten sie
die Küste erreicht und das Tier war für den Rest der Nacht
der Küste gefolgt. Nun zeigte sich im Osten der erste
graue Schimmer des heraufdämmernden Tages und Dulac/Lancelot hatte sein Ziel fast erreicht. Malagon lag vor
ihm.
Lancelot – es war seltsam, aber seit er diese silberne Rüstung trug, dachte Dulac von sich selbst immer öfter als
Lancelot, den Namen, mit dem Dagda ihn angesprochen
hatte, und nicht mehr als Dulac – Lancelot also hatte Malagon noch nie zuvor gesehen und er erkannte auch jetzt
kaum mehr als einen finsteren, sonderbar bucklig wirkenden Schatten, aber er wusste einfach, dass er sein Ziel erreicht hatte. Dieser Schatten dort vorne schien ihm mehr
als ein bloßer Schatten zu sein. Eine Dunkelheit schien
von ihm auszugehen, die auf unheimliche Weise etwas
Lebendiges hatte.
Malagon …
Lancelot wiederholte den Namen ein paar Mal in Gedanken, ohne dass er dadurch irgendetwas von seinem
düsteren Nachhall verlor. Obwohl er ihre Sprache nicht
kannte, war er sicher, dass dieses Wort nicht von den Pikten stammte. Es klang völlig anders als das, was er aus
dem Mund der Pikten gehört hatte, und schien für sich
allein schon etwas Böses zu sein, als wäre es viel mehr als
ein bloßer Name, sondern ein Wort, das an sich schon böse war und das Unheil brachte, wenn man es nur aussprach.
Seine Hand strich über den Sattelgurt, ohne dass er sich
der Bewegung selbst bewusst war. Er war nicht im Geringsten müde. Obwohl er zahllose Meilen zurückgelegt
hatte, fühlte er sich so frisch und ausgeruht, als wäre er
gerade eben erst losgeritten. Es musste die Zauberrüstung
sein, die ihm Kraft gab, eine Kraft, die schier unerschöpflich zu sein schien, aber er fragte sich auch besorgt, ob er
für diese geliehene Kraft vielleicht einen Preis würde zahlen müssen und wenn ja, welchen?
Sein Pferd schnaubte. Der Laut brach sich auf unheimliche Weise an den schwarzen Felsen, zwischen denen er
angehalten hatte, und Lancelot konnte ein eisiges Frösteln
nicht mehr ganz unterdrücken. Das war etwas, wovor ihn
die Zauberrüstung nicht schützen konnte: die Furcht.
Gestern noch hatte er über Sanders Worte gelacht, aber
nun kam ihm das, was der Sohn des Schankwirtes über
Malagon erzählt hatte, plötzlich gar nicht mehr so närrisch
vor. So wenig wie Dulac an irgendwelche Götter glaubte,
so sehr glaubte er an die Existenz von Geistern und Dämonen.
Aber irgendetwas war hier, etwas Unsichtbares, das wie
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