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Gralszauber

Titel: Gralszauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Rücken und befestigte ihn an seinem linken Arm, während er die Treppe
hinaufging und sich dem Tor näherte. Die Selbstverständlichkeit, mit der er es tat, überraschte ihn selbst. Es war,
als hätte er nie etwas anderes getan. Eigentlich sollten ihn
diese kleinen Handgriffe beruhigen, denn er konnte durch
sie durchaus darauf schließen, dass er in dieser Rüstung
auch über andere Fertigkeiten verfügte, die er eigentlich
nicht besaß. Aber das Gegenteil war der Fall.
Als er durch den zerbrochenen Torbogen trat, wurde er
langsamer und blieb schließlich stehen. Die Mauer musste
fast so dick wie hoch sein, der Länge des Torgewölbes
nach zu schließen. In der Decke befand sich ein Muster
aus unregelmäßigen Löchern, durch die im Verteidigungsfall Steine oder auch heißes Öl auf die Angreifer geschüttet werden konnten. Das Tor selbst existierte nicht mehr,
aber aus den Wänden ragten mächtige, rostzerfressene
Scharniere, und als er die andere Seite erreichte, musste er
sich unter den Resten eines wuchtigen Fallgitters hindurchbücken. Malagon war klein, aber äußerst wehrhaft
gewesen. Trotzdem war es am Ende gefallen. Die Spuren
gewaltsamer Zerstörung waren fast so alt wie die Burg
selbst, aber unübersehbar, und für einen Moment glaubte
er sogar noch den Lärm des Kampfes zu hören, den Geruch der Brände wahrzunehmen, das Flackern der Feuer
zu sehen …
Nur mit Mühe gelang es ihm, die Bilder aus seinem
Geist zu vertreiben und sich wieder auf das Hier und Jetzt
zu konzentrieren. Der Hof schien verlassen und still vor
ihm zu liegen, aber wie schon mehrmals zuvor spürte er
einfach, dass er nicht allein war.
Nach kurzem Suchen fand er seinen Verdacht bestätigt.
Hinter den zerborstenen Zinnen auf der anderen Seite
des Hofes stand eine dunkle Gestalt, die reglos in östliche
Richtung auf das Meer hinaus blickte. Einen Augenblick
später gewahrte er einen zweiten Posten hoch oben auf
dem Turm, der in die entgegengesetzte Richtung sah. Malagon war nicht so verlassen, wie es von außen den Anschein hatte.
Lancelot überlegte einen Moment, ob er sich auf die
Mauer hinaufschleichen und den Posten dort oben ausschalten sollte, entschied sich aber dann dagegen – die
Gefahr, von dem zweiten Wächter oben auf dem Turm
gesehen zu werden, war zu groß.
Erst als er diesen Gedanken gedacht hatte, begriff er voller Entsetzen, was er um ein Haar getan hätte: Er hatte
ganz kalt darüber nachgedacht, einen Menschen zu töten,
nicht in Notwehr oder im Kampf, sondern heimtückisch
und hinterrücks, aus reinem Kalkül heraus. Vom Standpunkt eines Kriegers aus war diese Überlegung vielleicht
sogar gerechtfertigt, aber Dulac – nicht Lancelot – spürte
für einen Moment nichts als eisiges Entsetzen. Diese Rüstung verlieh ihm mehr als nur die Stärke und die feinen
Instinkte eines Kriegers, sie machte ihn auch zu etwas, vor
dem er sich eindeutig fürchtete. Wäre es in diesem Moment nur um Uther und sogar Artus gegangen, so hätte er
sie vermutlich abgelegt und wäre von Panik geschüttelt
davongerannt. Aber dann erschien Gwinneths blasses Gesicht vor seinem inneren Auge und er tat es nicht. Ganz
egal, welchen Preis er dafür zahlen musste, er würde
Gwinneth retten.
Und dafür sorgen, dass Mordred ihr nie wieder etwas zu
Leide tun konnte.
Aber er würde dafür nicht zum Mörder werden, ganz
egal, mit welchen Argumenten ihn die düstere Stimme in
seinem Inneren zu überzeugen versuchte, die sich als die
seiner Vernunft ausgab.
Lancelot nahm die Hand wieder vom Schwert, wartete
einen Moment ab, der ihm günstig erschien, und huschte
dann geduckt und so leise und schnell er konnte über den
Hof. Möglicherweise nicht leise genug, denn der Schatten
über den Zinnen drehte sich mit einer erschrockenen Bewegung herum und starrte eine ganze Weile konzentriert
auf den Hof herab, wandte sich zu Lancelots Erleichterung
aber dann wieder um und setzte seine Beobachtung des
Meeres fort. Lancelot blieb noch einen Moment lang reglos gegen die Wand gepresst stehen und huschte dann weiter. Er hatte nichts zu befürchten. Hier unten auf dem Hof
war es pechschwarz und die Augen des Mannes hatten
sich bereits an das Sonnenlicht draußen über dem Meer
gewöhnt. Er war vollkommen unsichtbar.
Dicht vor ihm lag eine Tür. Lancelot huschte geduckt
hindurch, ging noch ein paar Meter und blieb dann stehen
um zu lauschen. Vor ihm waren Geräusche. Er konnte sie
nicht eindeutig identifizieren,

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