Grand Cru
britischem Kennzeichen. Dies war das einzige Fahrzeug, das bei Bruno, dem passionierten Jäger, der sich mit dem erlegten Wild immer selbst abschleppen musste, einen Anflug von Neid auslöste, obwohl er wusste, dass er mit einem Jeep aus Armeebeständen besser fahren würde, und darauf sparte er.
Dem Eingang am nächsten stand ein weißes Porsche-Cabriolet mit einer außergewöhnlich hübschen jungen Frau auf dem Beifahrersitz. Hubert stand in der geöffneten Fahrertür und hielt das Lenkrad gepackt, um einen sichtlich verärgerten Mann in hellgelber Hose und pinkfarbenem Polohemd daran zu hindern, einzusteigen und wegzufahren. Nathalie hockte auf der Kühlerhaube, neben ihr eine jüngere Frau, die Bruno nicht kannte, vielleicht eine neue Angestellte mit dichten blonden Ringellocken und großen dunklen Augen, so attraktiv, dass Brunos Blick an ihr hängenblieb. Auch sie taxierte ihn und machte kein Hehl daraus, dass ihr gefiel, was sie sah. Mit solchen Blicken begegneten ihm sonst nur ältere, erfahrenere Frauen.
Neben ihr stand Max, ein junger Mann mit blonden Strähnchen im Haar und gesunder Gesichtsfarbe. Er grinste, als er Bruno sah, der früher sein Rugbytrainer gewesen war. Bei Hubert arbeitete er nur den Sommer über, sonst studierte er an der Universität in Bordeaux. Im Eingang der Kellerei drängte sich Kundschaft, die an der Szene rund um den Porsche offenbar Gefallen fand.
Bruno hatte seinen Transporter, auf dem noch immer das Blaulicht kreiste, direkt hinter dem Porsche zum Stehen gebracht und versperrte ihm so die Ausfahrt. Er notierte das Kennzeichen - mit den Endziffern 75, also in Paris zugelassen -, stieg aus und ging auf die Streithähne zu, die sofort verstummten. Händeschütteln und die üblichen
bisous
waren jetzt nicht angebracht. Der Anlass verlangte vielmehr nach der anonymen Strenge des Gesetzes.
»Messieurs-dames«,
hob er an und tippte salutierend mit der Hand an den Mützenschirm.
»Chef de police
Courrèges, zu Ihren Diensten.«
Bruno musterte die Fremden in ihrem teuren Auto. Der Mann in Pink und Gelb schien Ende fünfzig zu sein. Er hatte einen stattlichen Kopf, gewelltes langes Silberhaar und einen kleinen Bauch. Am Ringfinger steckte ein goldener Ehering. Seine Begleiterin war an die dreißig Jahre jünger. Sie trug eine große Sonnenbrille und Schuhe, für die Bruno, so seine Schätzung, zwei Wochen hätte arbeiten müssen. Sie hatte, wie ihm auffiel, eine beeindruckende Diamantsammlung an den Fingern, aber keinen Ehering. Zu ihren Füßen lag ein vorzüglich getrimmter kleiner weißer Pudel mit diamantenem Halsband.
»Er hat einen 82er Chateau Petrus fallen lassen und weigert sich, dafür zu zahlen«, erklärte Hubert so betroffen, als hätte er einen Todesfall in der Familie zu beklagen.
»Einen 82er?«, fragte Bruno nach. Ein wahrhaftig vergleichbarer Verlust.
»Wein im Wert von zweitausendzweihundert Euro, am Boden verschüttet«, jammerte Nathalie.
»Pech«, sagte der Mann in Pink. »Die Flasche war voller Schmier. Dafür konnte ich nichts.«
»Und Sie, Monsieur, sind...«
»Ein Tourist auf Kurzurlaub.«
»Ihre Papiere, bitte.«
»Hören Sie, ich bin auf der Durchreise. Sorgen Sie dafür, dass ich weiterfahren kann.«
»Ihre Papiere, Monsieur. Und die von Ihnen, Madame.«
»Mademoiselle«, korrigierte die sehr gepflegte junge Frau und öffnete ihre Handtasche. Bruno bemerkte das Chanel-Logo und nahm ihren Ausweis entgegen.
»Verzeihung, Mademoiselle - ah - d'Alambert. Die Adresse ist noch gültig, Boulevard Maurice Barrés in Paris?«
Sie nickte. Bruno schrieb die Daten in sein Notizbuch. In Lille geboren, vierundzwanzig Jahre alt. Ein großer Sprung von der Industriestadt im Norden Frankreichs zum Boulevard Barrés, einer der vornehmsten Pariser Straßen am Bois de Boulogne. Als ihren Beruf hatte sie Model angegeben.
»Monsieur«, wiederholte Bruno. »Ihre Papiere.«
Der Mann schürzte die Lippen, als wollte er Einspruch erheben, zuckte aber dann mit den Achseln und griff nach seiner Brieftasche, einem edlen schlanken Mäppchen aus Krokodilleder. Er reichte Bruno Personalausweis und Führerschein.
»Monsieur Hector d'Aubergny Dupuy, Avenue Foch, Paris, sechzehntes Arrondissement, ist das richtig?« Der Mann nickte. Die Avenue Foch war ebenfalls eine vornehme Adresse und nur ein paar angenehme Flanierschritte vom Bois de Boulogne und vom Boulevard Barrés entfernt.
»Wenn ich bei Ihnen zu Hause anriefe, Monsieur, wäre da jemand, der mir Ihre Identität
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