Grand Cru
heruntergekommenes Château samt Weingut unweit von Bergerac gekauft hatte und einen Wein produzierte, der auf den großen Messen in Dijon und Paris Jahr für Jahr mit Preisen ausgezeichnet wurde. Auf der rechten Seite der Kellerei türmten sich Reihe um Reihe die eigentlichen Schätze der
cave:
edelste Bordeaux-Weine - Latours und Lafites, Cheval Blanc, Angélus und eben auch sämtliche Jahrgänge des Château Petrus. Gegenüber zur Linken befand sich das, was allenthalben als die beste Auswahl an Malt-Whisky-Sorten außerhalb Schottlands gerühmt wurde. Aber auch Liebhaber französischer Armagnacs kamen hier auf ihre Kosten.
In der Mitte des Raums erhoben sich sechs riesige Kunststoffzylinder, aus denen mittels einer Motorpumpe offener Wein gezapft wurde, weiß, rot oder rosé,
vin de table
oder süße weiße Dessertweine für einen Euro pro Liter oder noch günstiger, vorausgesetzt, man brachte seine eigenen Behälter mit und füllte sie selbst, was auch Bruno tat, um seinen täglichen Bedarf zu decken. In der Luft hing ein schwerer, leicht säuerlicher Geruch, der einem fast den Atem nahm, wie auch die Auskunft über die Preise mancher Weine, die hier geöffnet beziehungsweise verschüttet wurden. Bruno wusste, wo der Petrus lagerte, ging geradewegs auf das Allerheiligste in diesem Weintempel zu und blieb stehen, als er die zerbrochene Flasche auf dem Steinboden liegen sah. Château Petrus, Jahrgang 1982. Wie von tiefem Leid ergriffen, nahm er die Mütze vom Kopf, kniete nieder und besah sich die Scherben von nahem. Der Preis war mit einem feinen weißen Pinselstrich aufgemalt: 2200 Euro.
Er musterte die größte Scherbe, auf der in der Tat Reste von Schmier zu erkennen waren, wie von einem Daumenabdruck in die Länge gezogen. Er drehte sich um und schaute auf in Dupuys glänzendes Gesicht.
»Monsieur, mir ist aufgefallen, dass auf der Konsole neben dem Fahrersitz Ihres Wagens eine Tube Sonnencreme liegt. Sehr vernünftig, sich damit einzureiben, wenn man ein Cabriolet fährt, auch wenn man dann für eine Weile fettige Finger hat. Wie lange ist es her, dass Sie sich eingecremt haben?«
Dupuy zuckte mit den Achseln. In diesem Augenblick fiel draußen eine Autotür ins Schloss, kurz darauf kam Delaron mit seiner Kamera um den Hals zur Tür herein.
»Monsieur Delaron, dürfte ich Sie bitten, zuerst einmal eine Aufnahme von dem Porsche im Hof zu machen, und achten Sie darauf, dass das Nummernschild und natürlich auch die Beifahrerin mit ins Bild kommen«, sagte Bruno. »Wir hätten dann möglicherweise eine interessante Story für Ihr Blatt; es geht um den tragischen Verlust einer Flasche Petrus von 1982 -«
»Okay, ich bezahle. Vielleicht war's ja wirklich meine Schuld«, unterbrach Dupuy und reichte Nathalie eine schwarze Kreditkarte. »Vergessen wir das Ganze.«
»Sie können noch von Glück reden, dass es keine 61 er war«, stichelte Nathalie. »Die kostet nämlich viertausendeinhundert. Übrigens, Bruno, was haben Sie mit Ihren Haaren angestellt?«
»Eine faire Geste, Monsieur, wie es von einem Gentleman auch nicht anders zu erwarten ist«, bemerkte Bruno und beeilte sich, seine Mütze wieder aufzusetzen. »Bedauerlich, dass es nicht mehr von Ihrer Sorte gibt. Ich bin mir sicher, Monsieur de Montignac wird Ihnen nun zum Zeichen seiner Dankbarkeit ein Gläschen kredenzen.«
Hubert war bereits hinter der Theke und holte eine Flasche aus dem Kühlschrank. »Ich wollte gerade eine neue Lieferung verkosten, einen 95er Krug. Es würde mich freuen, wenn Sie mit mir anstoßen, Monsieur Dupuy, Sie und natürlich auch Mademoiselle.« Er tippte mit dem Finger unter den gewölbten Flaschenboden, um einem Überschäumen vorzubeugen, hielt den Korken mit der Linken gepackt und drehte die Flasche so geschickt davon ab, dass es am Ende festlich plopp machte, ohne dass ein Tropfen verlorenging. Jacqueline eilte mit Gläsern herbei, während Nathalie mit mürrischer Miene darauf wartete, dass Dupuy die Kartenquittung unterschrieb. Max kam mit Besen und Kehrschaufel, räumte die Scherben weg und wischte den Boden. Bruno ging nach draußen, um Mademoiselle d'Alambert, die einen ziemlich gelangweilten Eindruck machte, auf ein Glas Champagner einzuladen. Überraschend schnell sprang sie aus dem Wagen; etwas mehr Zeit ließ sie sich damit, den in die Höhe gerutschten Rock nach unten zu ziehen. Sie folgte Bruno ins Haus. Der Pudel blieb zurück.
5
Nachdem er die unterbrochene Sitzung beim Friseur wiederaufgenommen und
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